Rechts-News
aus Österreich

Neue Gesetze und Gesetzesänderungen

Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: IKT-Konsolidierungsgesetz u.a.

Es werden verschiedene Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung umgesetzt.

  • Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: 27. Dezember 2018
  • Inkrafttreten: Überwiegend teilweise am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt und teilweise 1. März 2019

Ziele

  • In Hinkunft übernimmt die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Aufgaben der Stammzahlenregisterbehörde.
  • In Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung elektronischer Identifizierungsmittel wird ein unionsrechtskonformer Zustand herbeigeführt.
  • Mit dem vorliegenden Vorhaben wird dem Zuständigkeitswechsel Rechnung getragen.
  • Steigerung der Anzahl von Unternehmen und Bürgerinnen/Bürgern (Teilnehmerinnen/Teilnehmer) an der Zustellung auf elektronischem Weg (elektronische Zustellung)
  • Reduktion der Kosten für die Zustellung

Mit dem Ausbau der elektronischen Zustellung wird die elektronische Kommunikation zwischen der Verwaltung und Bürgerinnen/Bürgern sowie Unternehmen im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung forciert. Dies setzt eine breite Erreichbarkeit der Bürgerinnen/Bürger und Unternehmen voraus. Durch die freie Auswahl des Zustellsystems durch die Behörde können günstigere Preise für eine elektronische Zustellung erzielt werden.

  • Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten der Bürgerkarte auf An- und Ummeldungen im Zentralen Melderegister (ZMR)
  • Vereinfachung von Behördenwegen nach der Geburt eines Kindes (digitaler Babypoint)
  • Einführung eines Erinnerungsservices über den bevorstehenden Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Reisedokuments
  • Österreichweit einheitliche Zustellung behördlicher Schriftstücke

Inhalt

  • Übertragung der Agenden der Stammzahlenregisterbehörde von der Datenschutzbehörde zur Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
  • Es wird eine explizite gesetzliche Regelung vorgesehen, um sicherzustellen, dass Österreich seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen bezüglich der Anerkennung ausländischer elektronischer Identifizierungsmittel nachkommt.
  • Es werden die notwendigen legistischen Anpassungen vorgenommen.
  • Schaffung eines zentralen Teilnehmerinnenverzeichnisses/Teilnehmerverzeichnisses
  • Änderung des Ablaufprozesses der elektronischen Zustellung
  • Erweiterung des Funktionsumfangs des Anzeigemoduls
  • Auswahl des Zustellsystems für die elektronische Zustellung durch die Behörde

Durch die Schaffung eines zentralen Teilnehmerinnenverzeichnisses/Teilnehmerverzeichnisses für elektronisch adressierbare Empfängerinnen/Empfänger wird nur mehr eine einzige Schnittstelle im Falle einer elektronischen Zustellung angesprochen und auch die Bereitschaft zur Entgegennahme von Zustellstücken wird nur mehr an einer Stelle bekannt gegeben. Im Falle einer elektronischen Zustellung kann die/der von der Behörde beauftragte Betreiberin/Betreiber eines Zustellsystems die erforderlichen Daten der registrierten Teilnehmerin/des registrierten Teilnehmers für die Durchführung der elektronischen Zustellung verwenden.

Zur Umsetzung der Ziele und Maßnahmen für den Ausbau der elektronischen Zustellung und der Teilnahme an der neuen Architektur der elektronischen Zustellung sind Umsetzungstätigkeiten seitens Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger notwendig. Diesbezügliche Gespräche finden laufend mit den entsprechenden Akteuren statt.

  • Ermöglichung der elektronischen An- und Ummeldung unter Inanspruchnahme der Funktion Bürgerkarte
  • Schaffung von Abfragemöglichkeiten im Zentralen Personenstandsregister (ZPR)
  • Ermöglichung der Abgabe von Namenserklärungen unter Inanspruchnahme der Funktion Bürgerkarte
  • Schaffung von Regelungen, wonach Bürgerinnen/Bürger über den Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Reisedokuments verständigt werden können
  • Ausgabe von zusätzlichen Informationen bei der Behördenabfrage im ZMR

Hauptgesichtspunkte

Insbesondere im Bereich der Digitalisierung wurden Angelegenheiten, die bisher in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers oder des Bundesministers für Finanzen gefallen sind, zusammengefasst und der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort übertragen. Mit dem vorliegenden Vorhaben wird diesem Zuständigkeitswechsel Rechnung getragen und die notwendigen legistischen Anpassungen werden vorgenommen. Den Änderungen kommt in diesem Zusammenhang in der Regel lediglich klarstellender Charakter zu oder es werden neue Einvernehmens-Regelungen eingeführt.

Mit den "Angelegenheiten des E-Government" fallen auch die Aufgaben der Stammzahlenregisterbehörde in den Wirkungsbereich des nunmehrigen Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. In Hinkunft übernimmt daher die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Aufgaben der Stammzahlenregisterbehörde. Außerdem wird eine explizite gesetzliche Regelung vorgesehen, um unzweifelhaft eine Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen bezüglich der Anerkennung ausländischer elektronischer Identifizierungsmittel ausdrücklich anzuordnen.

In Zukunft erfolgt die Zustellung von Behördenschreiben hauptsächlich auf elektronischem Wege. Dazu wurde ein Anzeigemodul eingeführt, um den Empfängerinnen/Empfängern eine einheitliche Übersicht der für sie bereitgehaltenen elektronischen Zustellstücke zu ermöglichen. In konsequenter Fortführung dieses Schritts wird nun auch die Versenderinnenseite/Versenderseite vereinfacht und die vollständige Erreichbarkeit der Empfängerin/des Empfängers sichergestellt. Nur dadurch kann das gesamte Einsparungspotential elektronischer Zustellungen erreicht werden. Es wird daher mit den gegenständlichen Änderungen des Zustellgesetzes ein systemübergreifendes Teilnehmerinnenverzeichnis/Teilnehmerverzeichnis sämtlicher Zustellsysteme eingeführt, um alle potentiellen Empfängerinnen/Empfänger erreichen zu können. Dies gibt auch den Versenderinnen/den Versendern die Möglichkeit der Auswahl des elektronischen Zustellsystems und bindet nicht wie bisher an jenes System, bei dem die Nutzerin/der Nutzer (Empfängerin/Empfänger) angemeldet war. Schließlich wird dies in der elektronischen Zustelllandschaft im Sinne einer einheitlichen Gesamtarchitektur zu einer weiteren Harmonisierung der Zustellzeitpunkte genutzt. Weiters werden für die Anwendbarkeit der elektronischen Zustellung die erforderlichen Anpassungen in der BAO bzw. dem Bundesfinanzgerichtsgesetz vorgenommen.

Im Rahmen der vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort geplanten zentralen Bürger- und Unternehmensplattform „oesterreich.gv.at“ wird Bürgerinnen/Bürgern auch im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Inneres ermöglicht, weitere Behördengänge künftig unter Verwendung der Funktion Bürgerkarte auf elektronischem Wege zu erledigen. „Oesterreich.gv.at“ stellt einen digitalen Kontaktpunkt zu den unterschiedlichsten Behörden dar und bietet einen einheitlichen Zugang zu den digitalen Angeboten der öffentlichen Verwaltung. Dabei werden Verwaltungsverfahren als auch Informationsangebote einheitlich, gesammelt auf oesterreich.gv.at online zugänglich gemacht. Erklärtes Ziel dieses Vorhabens ist es, den Verwaltungsaufwand sowohl für Bürgerinnen/Bürger als auch für Behörden durch die vermehrte Erledigung von Behördengängen unter Verwendung der Funktion Bürgerkarte zu reduzieren.

 

Judikatur

OGH | 7 Ob 133/18m | 21.11.2018
Rechtsmissbrauch beim Rücktritt vom Kaufvertrag über "Second Hand"-Versicherungspolizzen

Es ist Rechtsmissbrauch, sich elf Jahre nach Vertragsschluss auf das Unterbleiben der Belehrung nach § 3 KSchG zu berufen und den Vertragsrücktritt zu erklären, nachdem der Kaufvertrag beiderseits vollständig erfüllt wurde, die Gegenstand des Kaufvertrags bildenden Versicherungsverträge abgelaufen und abgewickelt sind und der Käufer selbst bereits auf Erfüllung des Vertrages gerichtete Ansprüche gerichtlich geltend gemacht hatte.

Die Parteien haben 2001 einen Kaufvertrag über zwei gebrauchte Lebensversicherungspolizzen abgeschlossen, der durch Zahlung des Kaufpreises auf Seite der Klägerin und Verschaffung der Polizzen auf dem britischen Sekundärmarkt sowie der Position als Versicherungsnehmerin auf Seite der Beklagten vollständig erfüllt war. Die Gegenstand des Kaufvertrages bildenden Versicherungsverträge, deren Prämien die Klägerin laufend bezahlte, sind 2010 und 2012 abgelaufen und die vereinbarten Ablaufleistungen wurden an die Klägerin ausbezahlt.

Fast zehn Jahre nach vollständiger Erfüllung des Kaufvertrages zwischen den Parteien machte die Klägerin vorerst Ansprüche auf Erfüllung des Kaufvertrages (angeblich versprochene höhere Ablaufleistung) geltend.

Nach dem Scheitern dieser Klage wartete sie weitere mehr als eineinhalb Jahre zu, bevor sie 2015 – zudem mehr als zwei Jahre nach Ablauf und Abwicklung des letzten der beiden Versicherungsverträge – den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte, weil sie im Jahr 2001 nicht über ihr Recht nach § 3 KSchG auf Rücktritt von „Haustürgeschäften“ belehrt worden sei; daher stehe ihr das Rücktrittsrecht „ewig“ zu. Sie begehrte die verzinste Rückzahlung von Kaufpreis und Prämien.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.

Der Oberste Gerichtshof wies die Klage jedoch ab, weil er dieses Begehren als Rechtsmissbrauch erkannte.

In der Rechtsprechung ist „widersprüchliches Verhalten“ (venire contra factum proprium) als Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs anerkannt, wobei der Berechtigte beim Verpflichteten durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, ein ihm zustehendes Recht nicht (mehr) geltend zu machen, sodass im Hinblick darauf eine spätere Berufung auf das Recht als Verstoß gegen Treu und Glauben angesehen wird. Jetziges Verhalten und Erklärungen der Klägerin stehen in eklatantem Widerspruch zu ihrem bisherigen Verhalten und ihren bisherigen Erklärungen, insbesondere dass sie bereits aus dem Vertrag heraus weitere Ansprüche – erfolglos – geltend gemacht hatte. Es ist der Klägerin daher verwehrt, sich nunmehr auf das Unterbleiben einer Belehrung zu berufen, welche vor Jahrzehnten dazu gedient hätte, die Klägerin vor Überrumpelung bei „Haustürgeschäften“ zu schützen.
 

OGH | 4 Ob 207/18x | 27.11.2018
Zur Qualifikation von Online-Sparkonten: Das Zahlungsdienstegesetz ist auf "Direkt-Sparkonten" nicht anwendbar.

Die klagende Kammer ist zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem Konsumentenschutzgesetz und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb berechtigt. Die beklagte Bank betreibt österreichweit das Bankgeschäft und verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).

Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung „Direkt-Sparkonto“ Online-Sparkonten an, auf die bzw von denen ihre Kunden im Wege des Telebanking Einzahlungen und Abhebungen vornehmen können. Diese Überweisungen muss der jeweilige Kunde stets über ein auf ihn lautendes Referenzkonto tätigen. Hierbei muss es sich um ein Girokonto handeln, das der Kunde auch bei einer anderen Bank als der Beklagten unterhalten kann. Zu Lasten des „Direkt-Sparkontos“ löst die Beklagte weder Lastschriften noch Schecks ein, auch Barauszahlungen werden nicht vorgenommen.

Die Klägerin erhob gegen die Beklagte ein Unterlassungsbegehren, das sich auf Verletzungen von Informationspflichten  nach dem Zahlungsdienstegesetz stützte.

Die Beklagte wandte ein, dass dieses Gesetz nicht auf „Direkt-Sparkonten“ anwendbar sei, weil damit keine Teilnahme am Zahlungsverkehr ermöglicht werde.

Der Oberste Gerichtshof wies die Klage nach der Vorabentscheidung  des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Oktober 2018, C-191/17 ab. Demnach fällt ein Sparkonto mit täglicher Fälligkeit, auf das bzw von dem Einzahlungen und Abhebungen nur über ein Girokonto vorgenommen werden können, nicht unter den Begriff „Zahlungskonto“. Mangels Anwendung des Zahlungsdienstegesetz auf die „Direkt-Sparkonten“ der Beklagten ist der Unterlassungsanspruch daher unberechtigt.
 

OGH | 9 ObA 103/18i | 28.11.2018
Erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Übermittlung der Arbeitszeitaufzeichnungen nach § 26 Abs 8 AZG

Der Anspruch des Arbeitnehmers nach § 26 Abs 8 Arbeitszeitgesetz (AZG) in der seit 1. 1. 2015 geltenden Fassung auf kostenfreie Übermittlung der Arbeitszeitaufzeichnungen richtet sich gegen den Arbeitgeber. Es handelt sich um einen durchsetzbaren privatrechtlichen Anspruch. Der Anspruch gilt auch bei einem vor dem Inkrafttreten der Vorschrift abgeschlossenen Arbeitsvertrag, dies aber allein für Abrechnungsperioden ab dem Inkrafttreten. Der Anspruch ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer formell vollständige Aufzeichnungen übermittelt.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 21. 8. 2012 bis 31. 7. 2017 als Entsorger beschäftigt. Er begehrte mit seiner Klage, gestützt auf § 26 Abs 8 AZG, die Übermittlung der Arbeitszeitaufzeichnungen für die gesamte Zeit seiner Beschäftigung. Die Beklagte händigte ihm im Verfahren Arbeitszeitaufzeichnungen für die Jahre 2015 bis 2017 aus.

Das Erstgericht wies hierauf die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge und führte dazu aus:

Die Bestimmung des § 26 Abs 8 AZG („Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer haben einmal monatlich Anspruch auf kostenfreie Übermittlung ihrer Arbeitszeitaufzeichnungen, wenn sie nachweislich verlangt werden.“) gibt dem Arbeitnehmer einen durchsetzbaren privatrechtlichen Anspruch, der sich gegen den Arbeitgeber richtet.

Diese Regelung trat mit 1. 1. 2015 in Kraft. Sie findet auch auf den bereits vor dem Inkrafttreten abgeschlossenen Arbeitsvertrag des Klägers Anwendung, dies aber allein für Abrechnungsperioden ab dem Inkrafttreten. Für die Zeit vor dem 1. 1. 2015 kann das Klagebegehren damit nicht auf diese Bestimmung gestützt werden. Die Klageabweisung ist daher in Hinsicht auf diesen Zeitraum jedenfalls richtig.

Im Verfahren auf bloße Übermittlung der Aufzeichnungen kann es (nach während des Verfahrens erfolgter Übermittlung) nur um deren formelle Vollständigkeit gehen. Das heißt, die Aufzeichnungen haben sich auf den Kläger und den (zu Recht) geltend gemachten Zeitraum zu beziehen. Nur darauf hin sind die übermittelten Aufzeichnungen vom Gericht zu überprüfen. Darüber hinausgehende Überlegungen des Klägers, wonach er beispielsweise an näher bestimmten Tagen mehr Arbeit geleistet hat, als die Beklagte in ihren Aufzeichnungen zugesteht, haben im bloßen Verfahren auf Übermittlung der Aufzeichnungen keinen Raum und hindern damit auch nicht den Eintritt der Erfüllung des Übermittlungsanspruchs, wenn die übermittelten Aufzeichnungen formell vollständig sind. Im (allenfalls weiteren) Verfahren auf Geldleistung bleibt es dem Kläger natürlich unbenommen, darzutun, dass er über die Aufzeichnungen der Arbeitgeberin hinaus Arbeit erbracht hat, die bisher nicht entgolten wurde.
 

Quelle: Österreichisches Parlament

 

Diese Rechts-News werden uns zur Verfügung gestellt von der Prettenhofer Raimann Pérez Rechtsanwaltspartnerschaft (OG).