Rechts-News
aus der Schweiz

Gesetze und Gesetzesänderungen

Änderung des IPRG zur Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Konkursverfahren (Art. 166 ff. IPRG) publiziert

Im Bundesblatt Nr. 12 vom 27. März 2018 wurde eine Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) publiziert. Die Änderung vom 16. März 2018 ändert u.a. die Art. 166 ff. IPRG und bezweckt die Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Konkursverfahren. Gegenüber dem Entwurf (BBl 2017 4149) wurden, soweit ersichtlich, lediglich geringfügige Ergänzungen vorgenommen (Art. 169 Abs. 2 zweiter Satz; Art. 171 Abs. 2; Art. 174a Abs. 2 letzter Satz).

Die Änderung untersteht dem fakultativen Referendum; die Referendumsfrist läuft am 5. Juli 2018 ab. Das Inkrafttreten wird vom Bundesrat bestimmt.
 

Verordnungen zum Geldspielgesetz: Bundesrat eröffnet Vernehmlassung

Bern, 02.03.2018 - Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 2. März 2018 die Vernehmlassung zu den Verordnungen eröffnet, die es zur Umsetzung des neuen Geldspielgesetzes braucht. Unter anderem klärt der Bundesrat mit den Verordnungen, was unter kleinen Pokerturnieren ausserhalb von Spielbanken zu verstehen ist, die das Gesetz zulassen will. Und er schlägt für den Schutz vor Spielsucht im Online-Bereich konkrete Massnahmen vor. Damit klärt er verschiedene Einzelheiten und schafft so in bisher noch offenen Fragen volle Transparenz, bevor die Bevölkerung im Juni 2018 in einer Referendumsabstimmung über das Geldspielgesetz befindet.

Das neue Geldspielgesetz wurde am 29. September 2017 vom Parlament verabschiedet. Es setzt den Verfassungsartikel über die Geldspiele um, der am 11. März 2012 mit rund 87 Prozent der Stimmen und von allen Ständen angenommen wurde. Im Geldspielgesetz werden das bisherige Spielbankengesetz und das Lotteriegesetz zusammengeführt. Spielbankenspiele, Lotterien und Sportwetten unterstehen nach wie vor einer Bewilligungspflicht. Online-Spiele wie Roulette oder Poker sind neu zugelassen. Erträge aus den Geldspielen sollen wie bisher der AHV/IV sowie gemeinnützigen Zwecken zugutekommen; im Jahr 2016 war dies fast eine Milliarde Franken. Gegen das Geldspielgesetz wurde das Referendum ergriffen; die Volksabstimmung findet am 10. Juni 2018 statt.

Maximales Startgeld bei kleinen Pokerturnieren beträgt 200 Franken

Die Einzelheiten zum Geldspielgesetz werden künftig in der Geldspielverordnung geregelt. Darin wird namentlich präzisiert, dass Geldspiele in der Familie oder im Freundeskreis weiterhin ohne Bewilligung zulässig bleiben, sofern Einsatz und Gewinn tief sind und die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer klein ist. Kleine Pokerturniere ausserhalb von Spielbanken sind zudem erlaubt, wenn das Startgeld pro Spieler maximal 200 Franken beträgt und die Summe aller Startgelder den Betrag von 20 000 Franken nicht überschreitet.

Schutz vor Spielsucht und Manipulation von Sportwettkämpfen

Um die Spielerinnen und Spieler vor exzessivem Geldspiel zu schützen, schlägt der Bundesrat in der Geldspielverordnung insbesondere für den Online-Bereich konkrete Schutzmassnahmen vor, etwa für die Früherkennung von gefährdeten Personen. Die Verordnung präzisiert auch, mit welchen Mitteln die Manipulation von Sportwettkämpfen verhindert werden soll. Neu geschaffen wird dafür eine nationale Plattform. Sie stellt als Informationsdrehscheibe sicher, dass konkreten Verdachtsmomenten in jedem Fall nachgegangen werden kann.

Zusätzliche Mittel für die AHV/IV

Wie die traditionellen Spielbanken werden neu auch die Online-Spielbanken besteuert. Die Mehreinnahmen zugunsten der AHV/IV betragen gemäss Schätzungen voraussichtlich bis zu 75 Millionen Franken pro Jahr. Darüber hinaus dürfte das neue Geldspielgesetz zudem zugunsten von Sport, Kultur und Sozialem laut Schätzungen zu Mehreinnahmen von bis zu 225 Millionen Franken führen.

Mit der Geldspielverordnung schickt der Bundesrat gleichzeitig die revidierte Spielbankenverordnung des EJPD sowie die neue Geldwäschereiverordnung des EJPD in die Vernehmlassung. Das Vernehmlassungsverfahren dauert bis am 15. Juni 2018.
 

Zivilprozess: Private und Unternehmen sollen leichter Zugang zum Gericht haben

Bern, 02.03.2018 - Die Schweizerische Zivilprozessordnung hat sich in der Praxis bewährt. Punktuelle Anpassungen sollen jedoch Privaten und Unternehmen den Zugang zum Gericht erleichtern und so die Rechtsdurchsetzung im Privatrecht weiter verbessern. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. März 2018 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage verabschiedet. Insbesondere sollen die Kostenschranken und das Prozesskostenrisiko gesenkt, der kollektive Rechtsschutz gestärkt und die Verfahrenskoordination vereinfacht werden. Mit dem Gruppenvergleichsverfahren wird eine anerkannte Lücke im Rechtssystem geschlossen. Damit werden mehrere parlamentarische Aufträge erfüllt. Die Vernehmlassung dauert bis am 11. Juni 2018.

Am 1. Januar 2011 sind mit der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) die gesetzlichen Regelungen von Zivilverfahren schweizweit vereinheitlicht worden. Mehrere parlamentarische Vorstösse haben vom Bundesrat seither erste punktuelle Anpassungen des neuen Gesetzes verlangt. Mit der Motion 14.4008 wurde der Bundesrat beauftragt, die Praxistauglichkeit der ZPO insgesamt zu prüfen und dem Parlament allfällige Änderungen vorzuschlagen. Die nun durchgeführte Prüfung bei den betroffenen Fachkreisen zeigt, dass sich die ZPO nach Ansicht der Gerichte, Anwältinnen und Anwälte und der breiten Öffentlichkeit grundsätzlich bewährt hat. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, sich auf die Anpassung einzelner erkannter Schwachpunkte zur punktuellen Verbesserung der ZPO zu beschränken.

Abbau von Kostenschranken

Heute halten teilweise hohe Prozesskostenvorschüsse insbesondere Angehörige des Mittelstands davon ab, Ansprüche auf dem Gerichtsweg geltend zu machen. Der Bundesrat will diese faktische Zugangsschranke zum Gericht abbauen. Er schlägt deshalb vor, die Prozesskostenvorschüsse zu halbieren. Damit sollen künftig auch Personen, die nicht in den Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege kommen, ihre Ansprüche tatsächlich gerichtlich geltend machen können.

Zudem soll die Liquidation der Gerichtskosten neu geregelt werden. Heute kann die obsiegende klagende Partei geleistete Kostenvorschüsse ausschliesslich von der Gegenpartei zurückfordern. Ist die Gegenpartei zahlungsunfähig, muss die klagende Partei die Gerichtskosten damit trotz gewonnenem Verfahren selber bezahlen. In Zukunft soll dieses Risiko wegfallen: Für die Gerichtskosten soll sich das Gericht neu ausschliesslich an die unterliegende Partei halten. Mit diesen beiden Anpassungen trägt der Bundesrat der verbreiteten Kritik am Kostenrecht Rechnung.

Demgegenüber will er nicht in die kantonale Tarifhoheit eingreifen. Nach Ansicht des Bundesrates sind hier die Kantone gefordert.

Kollektiver Rechtsschutz: Lücke schliessen

Ist eine Vielzahl von Personen gleich oder gleichartig geschädigt, muss nach heutigem Recht grundsätzlich jede Person ihre Rechtsansprüche individuell vor Gericht geltend machen. Deshalb verzichten Geschädigte oft auf ein Gerichtsverfahren. Diese seit längerem bemängelte Rechtsschutzlücke will der Bundesrat in Erfüllung der Motion 13.3931 mit dieser Vorlage für das Privatrecht schliessen.

Neu sollen Unternehmen mit einem sogenannten Gruppenvergleichsverfahren eine einvernehmliche kollektive Streiterledigung mit Wirkung für alle Geschädigten erreichen können. Weiter schlägt er vor, die Verbandsklage für die klageweise kollektive Durchsetzung von finanziellen Ansprüchen zuzulassen. Diese Massnahmen erlauben es Unternehmen, Ansprüche aus sogenannten Massenschäden in einem einzigen Verfahren mit einem Verbandskläger beizulegen. Dieser Ausgleich rechtswidriger Gewinne beseitigt auch störende Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Unternehmen, die sich rechtskonform verhalten.

Weitere punktuelle Anpassungen zur Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit​

In seiner Vernehmlassungsvorlage schlägt der Bundesrat weitere punktuelle Anpassungen der ZPO vor. So soll insbesondere die Verfahrenskoordination vereinfacht werden, was die kollektive Rechtsdurchsetzung ebenfalls erleichtert. Daneben sollen das Schlichtungsverfahren, das sich in den letzten Jahren sehr bewährt hat, weiter gestärkt werden. Namentlich will der Bundesrat auch den Umgang mit Eingaben an ein unzuständiges Gericht oder an eine falsche Behörde anwendungsfreundlicher gestalten, ein Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmungsjuristinnen und -juristen und eine gesetzliche Grundlage für die Erstellung von schweizweiten Statistiken und Geschäftszahlen der Zivilgerichtsbarkeit schaffen.

Mit diesen Vorschlägen will der Bundesrat die seit ihrem Inkrafttreten in der Praxis bewährte Zivilprozessordnung punktuell anpassen und weiterentwickeln und damit den Zugang zum Gericht erleichtern und die Rechtsdurchsetzung im Privatrecht weiter verbessern.

Die Vernehmlassung zur Änderung der Zivilprozessordnung dauert bis am 11. Juni 2018.

 

Judikatur

4A_364/2017, Urteil vom 28. Februar 2018: Informationsanspruch von Verwaltungsratsmitgliedern: Gerichtliche Durchsetzung möglich 

Mitglieder des Verwaltungsrates können gegenüber der Aktiengesellschaft ihren Anspruch auf Informationserteilung gerichtlich durchsetzen. Das Bundesgericht klärt eine bisher offen gelassene Frage und hebt einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Obwalden auf. Ob ein Verwaltungsrat Anspruch auf Einsicht oder Auskunft hat, ist vom angerufenen Gericht im summarischen Verfahren zu entscheiden.

Gemäss Artikel 715a des Obligationenrechts (OR) kann jedes Mitglied des Verwaltungs - rates einer Aktiengesellschaft Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen. Ausserhalb von Sitzungen des Verwaltungsrates können dessen Mitglieder von den mit der Geschäftsführung betrauten Personen insbesondere fordern, über den Geschäftsgang informiert zu werden. Soweit es für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich ist, kann jedes Mitglied des Verwaltungsrates beim Präsidenten beantragen, dass ihm Bücher und Akten vorgelegt werden. 

Das Bundesgericht hat bisher ausdrücklich offen gelassen, ob dieses gesetzliche Informationsrecht von Verwaltungsräten auch gerichtlich durchgesetzt werden kann. In der Lehre sind die Meinungen dazu geteilt. Das Bundesgericht bejaht dies nun in einem aktuellen Entscheid. Mehrere Gründe, unter anderem der Zweck der Bestimmung, ihre systematische Einbettung und die Rechtsnatur des Informationsanspruchs, sprechen für eine solche Klagemöglichkeit. Zu behandeln ist das entsprechende Gesuch eines Verwaltungsrates vom Gericht im summarischen Verfahren. Das für die Ausübung des Verwaltungsratsmandats erforderliche Einsichts- und Auskunftsrecht ist auf ein solch rasches und flexibel gestaltbares Verfahren angewiesen. Im konkreten Fall hat das Obergericht des Kantons Obwalden die grundsätzliche Klagemöglichkeit des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft zu Unrecht verneint. Die Sache wird deshalb zur Prüfung der geltend gemachten Einsichtsrechte ans Obergericht zurückgewiesen.
 

4A_417/2017, Urteil vom 14. März 2018: Swatch Group hat ausreichendes Rechtsschutzinteresse für Klage in der Schweiz 

Das Handelsgericht des Kantons Bern muss sich erneut mit der Klage der Swatch Group befassen, mit der diese die Feststellung verlangt, dass sie nicht zur Belieferung eines englischen Unternehmens mit Ersatzteilen für Uhren der Swatch Group verpflichtet ist. In Änderung der bisherigen Rechtsprechung ist die Absicht einer Partei, sich im internationalen Verhältnis für einen bevorstehenden Rechtsstreit einen Gerichtsstand in der Schweiz zu sichern, als ausreichendes Interesse für eine entsprechende Feststellungsklage zu erachten.

Auf Ende 2015 hatte die Swatch Group AG die Belieferung von Grosshändlern mit Ersatzteilen für Uhren der Swatch Group eingestellt. Ein englisches Unternehmen forderte in der Folge von der Swatch Group AG und von zwei ihrer Tochtergesellschaften (im Folgenden "Swatch Group") die Wiederaufnahme der bisherigen Belieferung, ansonsten sie ohne weitere Ankündigung Klage erheben werde. Noch bevor das englische Unternehmen dann tatsächlich in England seine Leistungsklage einreichte, war die Swatch Group bereits ans Handelsgericht des Kantons Bern gelangt und hatte die Feststellung beantragt, dass sie keine Pflicht zur Belieferung treffe und dass sie dem englischen Unternehmen wegen der Einstellung der Belieferung nichts schulde. Das Handelsgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage, ob die Swatch Group an ihrer "negativen Feststellungsklage" ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse habe. Es verneinte dies, weil das Interesse einer Partei, sich mit einer negativen Feststellungsklage einen Gerichtsstand in der Schweiz zu sichern, gemäss Rechtsprechung kein ausreichendes Rechtsschutzinteresse begründe. Das Handelsgericht trat auf die Klage deshalb nicht ein. 

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Swatch Group gut. In Änderung der bis - herigen Rechtsprechung ist jedenfalls im internationalen Verhältnis das Ziel einer Partei, sich bei einem bevorstehenden Gerichtsverfahren einen ihr genehmen Gerichtsstand zu sichern, als genügendes Rechtsschutzinteresse für eine negative Feststellungsklage zu qualifizieren. Für diese Praxisänderung bestehen ernsthafte und sachliche Gründe. Unter anderem ist zu beachten, dass bis anhin im internationalen Verhältnis Parteien benachteiligt wurden, welche zur Sicherung des Gerichtsstandes in der Schweiz klagen wollten, denen aber gemäss bisheriger Praxis eine Klagemöglichkeit verwehrt wurde, während im Ausland von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden konnte. Das tatsächliche Interesse einer Partei, einen Prozess in diesem oder einem anderen Staat zu führen, kann allein wegen der unterschiedlichen Verfahrensrechte, der Sprache, der Dauer oder der Kosten eines Verfahrens erheblich sein. Die Sache wird zur Fortführung des Verfahrens ans Berner Handelsgericht zurückgewiesen. Dieses wird – vor einer materiellen Beurteilung der Klage der Swatch Group – über die bisher offen gelassene Frage seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit entscheiden müssen.

 

Diese Rechts-News werden uns zur Verfügung gestellt von der Prettenhofer Raimann Pérez Rechtsanwaltspartnerschaft (OG).