Arbeitsrecht: Besondere arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen
Teil 2: Österreich

13.08.2020
Arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen in Österreich (Quelle: Pixabay)

Letze Woche haben wir einen Blick auf in der Schweiz geltende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen geworfen. Im heutigen Beitrag befassen wir uns mit den entsprechenden Regelungen in Österreich. Der Fokus richtet sich auf die Bereiche Gleichbehandlung (Gleichstellung) sowie auf Personen mit einer Behinderung und den Kündigungsschutz älterer Personen. 

Gleichbehandlung

Alle ArbeitnehmerInnen haben die gleichen Rechte. Das Gleichbehandlungsgesetz gibt Diskriminierungsverbote vor, die bei Stellenausschreibungen, Auswahlverfahren und Stellenbesetzungen einzuhalten sind. Eine Diskriminierung wegen Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter, sexueller Orientierung oder Behinderung ist verboten. Geschützt sind auch Menschen, die in einem Naheverhältnis zu einer Person stehen, die vor Diskriminierung geschützt ist. Die Verbote gelten - mit Ausnahmen – für alle Berufe und Arbeitsverhältnisse, also für

  • Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen
  • arbeitnehmerähnliche Beschäftigungsverhältnisse
  • Heimarbeiter
  • Leiharbeitnehmer
  • nach Österreich überlassene und entsandte Arbeitskräfte für die Dauer der Entsendung

Ausnahmen:

Eine allgemeine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz liegt vor, wenn besondere Erfordernisse von Berufen diese Ungleichbehandlung erforderlich machen. 

Keine Diskriminierung liegt vor, wenn

  • das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und
  • es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Darüber hinaus gibt es bei besonderen Diskriminierungstatbeständen Ausnahmen. Damit eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgebot zulässig und rechtmäßig ist, muss jedenfalls eine ausreichende sachliche Rechtfertigung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes vorliegen. Was als ausreichende sachliche Rechtfertigung anzusehen ist und ob eine Ungleichbehandlung zur Erreichung eines (legitimen) Ziels angemessen ist, obliegt der Rechtsprechung.

Religion oder Weltanschauung: Eine Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung ist in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen oder anderen öffentlichen oder privaten religiösen Organisationen eingeschränkt. Eine Diskriminierung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Religion oder die Weltanschauung nach der Art der beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.

Alter: Eine Diskriminierung aufgrund des Alters liegt nicht vor, wenn die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen ist, durch ein legitimes Ziel, insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind (ein typisches Beispiel sind Piloten).

Zulässig ist insbesondere

  • die Festlegung besonderer Bedingungen und Maßnahmen, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicher zu stellen,
  • die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder des Dienstalters für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundenen Vorteile,
  • die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

Schadenersatz

Wurde das Gleichbehandlungsverbot verletzt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz und kann ein beendetes Arbeitsverhältnis anfechten. Bestraft werden Diskriminierungen während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses und auch solche, die vor Beginn oder nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses begangen wurden.

Schutz von ArbeitnehmerInnen mit Behinderungen 

Menschen mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden. Es wird zwischen behinderten und „begünstigt behinderten“ Personen unterschieden. Für „begünstigt behinderten“ Personen gilt ein erhöhter Kündigungsschutz. Die Kündigung darf nicht wegen der Behinderung erfolgen, sonst kann sie angefochten werden. Betroffene können bei Verstößen Schadenersatz verlangen. Unternehmen müssen für Barrierefreiheit sorgen. Schwer behinderte Unternehmer können persönliche Unterstützung beantragen.

Personen mit Behinderung und begünstigte Behinderte

Menschen mit Behinderung sind vor Diskriminierung geschützt. Der Schutz gilt für Arbeits- und Lehrverhältnisse sowie arbeitnehmerähnliche Verhältnisse wie zum Beispiel für freie Dienstverträge. Geschützt sind auch Angehörige und nahestehenden Personen von Menschen mit einer Behinderung.

Das Gesetz unterscheidet zwischen „Personen mit Behinderung“ und „begünstigte Behinderte“. Als Behinderung gilt zum Beispiel Multiple Sklerose, die noch nicht ausgebrochen ist. Begünstigte behinderte Arbeitnehmer sind zu mehr als 50 Prozent beeinträchtigt. Das Sozialministeriumservice – früher Bundessozialamt – beurteilt den Grad der Behinderung und erlässt einen Feststellungsbescheid. Arbeitgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen, müssen auf je 25 Arbeitnehmer mindestens einen „begünstigten Behinderten" einstellen oder eine Ausgleichstaxe bezahlen.

Der Schutz von „begünstigten Behinderten“ ist umfassender als der von „Personen mit Behinderung“. Für „begünstigte Behinderte“ gilt ein Kündigungsschutz, eine Arbeitgeber-Kündigung ist aber unter bestimmten Voraussetzungen dennoch möglich. Es gibt auch andere Möglichkeiten das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Unternehmen, die begünstigte Behinderte einstellen, können die Inklusionsförderung sowie die InklusionsförderungPlus beantragen.

Diskriminierungsverbote und Barrierefreiheit

Es gelten verschiedene Diskriminierungsverbote. Unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine behinderte Person wegen ihrer Behinderung ungleich behandelt wird. Mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn zum Beispiel Vorschriften oder bauliche Gegebenheiten - wie Treppen - behinderte Menschen benachteiligen. Weitere Verbote betreffen die Belästigung und die bauliche Gestaltung von Arbeitsplätzen.

Die Barrierefreiheit dient nicht nur der Gleichstellung in der Arbeitswelt, sie soll auch den Alltag für alle erleichtern. Barrierefreiheit bedeutet, dass Gebäude, Verkehrsmittel, Gebrauchsgegenstände und Informationssysteme - wie Computersoftware oder Browser - leicht und ohne fremde Hilfe nutzbar sind.

Kündigungsschutz von (älteren) ArbeitnehmerInnen – sozialwidrige Kündigung

Die sozialwidrige Kündigung

Sozialwidrigkeit liegt vor, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, d.h. wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt und das Arbeitsverhältnis bereits 6 Monate gedauert hat. Wird eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung des Arbeitnehmers festgestellt, so muss der Arbeitgeber den Nachweis erbringen, dass entweder persönliche Gründe (z.B. Pflichtverletzungen, erhebliche Minderleistung, sehr lange Krankenstände, fehlende Kooperationsbereitschaft) oder betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen (z.B. Rationalisierung, Reorganisation, Auftragsrückgang)vorliegen. Liegen persönliche und/oder betriebliche Kündigungsgründe vor, so hat das Gericht eine Interessenabwägung zwischen den Arbeitnehmer-und Arbeitgeberinteressen vorzunehmen. Bei betrieblichen Kündigungsgründen hat der Arbeitgeber alle Möglichkeiten, den Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen (z.B. durch Umschulung, Versetzung), auszuschöpfen.

Die Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit erfolgt meistens von älteren Arbeitnehmern, da sie im Regelfall mit einer längeren Arbeitslosigkeit und höheren Einkommensverlusten zu rechnen haben. Eine gesetzliche Altersgrenze für Kündigungsanfechtungen gibt es in Österreich jedoch nicht!

Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht vor, dass bei älteren Arbeitnehmern bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Unternehmen und die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen ist. Für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt dieser Grundsatz erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb. Diese Regelung bleibt noch für jene Arbeitsverhältnisse bestehen, die jetzt unter diese Regelung fallen. Die mit 01.07.2017 in Kraft getretene neue Rechtslage ist erst für neue Einstellungen von mindestens 50-jährigen Personen wirksam.

Ist der ältere Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seiner Einstellung bereits älter als 50 Jahre, kommt dieser erhöhte Kündigungsschutz nicht mehr zum Tragen. Bei einem Sozialvergleich oder der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung wird nun das Alter nicht mehr gesondert herangezogen, sondern nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmern geprüft. Diese Neuregelung gilt allerdings nur für ab 01.07.2017 neu begründeten Dienstverhältnisse.

Der Arbeitgeber sollte die Kündigung eines älteren Mitarbeiters erst dann aussprechen, wenn zumutbare Änderungsvorschläge (z.B. Vereinbarung einer Gehaltsreduktion, Versetzung, Umschulung) vom Arbeitnehmer abgelehnt werden oder wenn in der Person des Arbeitnehmers gelegene Kündigungsgründe vorliegen, die auch beweisbar sind (z.B. disziplinäre Probleme, mangelhafte Arbeitsleistung, Unverträglichkeit).

Anfechtungsverfahren

Ziel der Anfechtung ist die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers.

Zu unterscheiden ist das Verfahren bei Betrieben mit und ohne Betriebsrat.

Betriebe ohne Betriebsrat: In Betrieben ohne Betriebsrat kann der betroffene Arbeitnehmer binnen 2 Wochen nach Zugang der Kündigung diese beim Arbeits-und Sozialgericht anfechten.

Betriebe mit Betriebsrat: Hat der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich widersprochen, so kann er diese auf Verlangen des gekündigten Arbeitnehmers binnen einer Woche nach Verständigung vom Ausspruch der Kündigung bei Gericht anfechten. Der einzelne Arbeitnehmer kann seine Kündigung binnen 2 Wochen anfechten, wenn der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung innerhalb der einwöchigen Frist keine Stellungnahme abgegeben hat oder der Betriebsrat dem Verlangen des Arbeitnehmers nach Anfechtung der Kündigung nicht nachkommt. Hat der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung jedoch ausdrücklich zugestimmt, so ist eine Anfechtung durch den Arbeitnehmer wegen Sozialwidrigkeit ausgeschlossen.

Ausgang des Anfechtungsverfahrens

Gibt das Gericht der Anfechtungsklage statt, so ist die Kündigung rechtsunwirksam, d.h.: der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeit wieder aufzunehmen und der Arbeitgeber ist verpflichtet, das rückständige Entgelt nachzuzahlen.

 

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portrait_mp_klein.jpgAutor: Lic. iur. Michael Pérez

Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei PRP Rechtsanwälte. Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt. 
 

*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!

FOTOS: Perez, Shutterstock

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