Arbeitsrecht: Regelungen in Bezug auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen
Teil 1: Schweiz

18.06.2020
In der Schweiz gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit, d.h. eine Kündigung ist nicht an bestimmte Gründe gebunden. (Bild: Shutterstock)

Welche Regelungen in Bezug auf Kündigungen, Entlassungen und Personalabbau in der Schweiz gelten, und welche Gesetze es dabei zu beachten gibt, lesen Sie in diesem Blogbeitrag.

Ordentliche Kündigung

Die ordentliche Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, das Arbeitsverhältnis einseitig unter Einhaltung der vorgeschriebenen oder vereinbarten Fristen und Termine aufzuheben. Die ordentliche Kündigung ist der übliche Beendigungsgrund für das unbefristete Arbeitsverhältnis. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist die ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, es wurde eine Kündigungsfrist verabredet.

In der Schweiz gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit, d.h. eine Kündigung ist nicht an bestimmte Gründe gebunden. Eine missbräuchliche oder eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung löst allenfalls eine Entschädigungspflicht aus (siehe dazu unten mehr), hebt das Arbeitsverhältnis jedoch ebenfalls auf.

Form der Kündigung

Sofern im Arbeitsvertrag keine Formvorschrift vereinbart wurde ist die Kündigung formfrei gültig. Sie kann mündlich, per Kurznachricht (SMS, WhatsApp etc.), per E-Mail oder schriftlich ausgesprochen werden. Zu Beweiszwecken ist eine Kündigung in einer Form, welche durch Text nachgewiesen werden kann, allerdings zu empfehlen.

Begründungspflicht

Der Empfänger der Kündigung ist berechtigt, eine schriftliche Begründung derselben zu verlangen. Der Sinn dieser Regelung liegt v.a. darin, dass dies dem Arbeitnehmer erlaubt zu beurteilen, ob die Kündigung allenfalls missbräuchlich sein könnte oder, ob eine ungerechtfertigte fristlose Entlassung vorliegt. Auch ohne ausdrückliche Vorschrift muss der für die Kündigung angegebene Grund wahr sein.

Wenn die Begründungspflicht verletzt wird, besteht ein Anspruch diesen gerichtlich durchzusetzen werden.

Kündigungsfristen und –termine

Das Gesetz sieht folgende Kündigungsfristen vor:

  • Während Probezeit: Sieben Tage
  • Während des ersten Dienstjahres: Einen Monat
  • Vom zweiten bis zum neunten Dienstjahr: Zwei Monate
  • Ab dem zehnten Dienstjahr: Drei Monate

Der gesetzliche Kündigungstermin ist grundsätzlich das Ende eines Monats. Eine allfällige vertragliche Änderung der Fristen und des Termins bedarf einer schriftlichen Vereinbarung. Kündigungsfristen von weniger als einem Monat können nur in Gesamtarbeitsverträgen vorgesehen werden.

Die Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen gleich lang sein. Wurden im Arbeitsvertrag unterschiedlich lange Fristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, gilt für beide die längere Frist.

Im Arbeitsvertrag kann vereinbart werden, dass für den Arbeitnehmer eine kürzere Kündigungsfrist gilt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen kündigt oder dem Arbeitnehmer mitteilt, dass er aus solchen Gründen eine Kündigung beabsichtige. Das Gesetz sieht für diesen Fall keine Mindestdauer der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers vor. Eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen liegt u.a. bei einer Reorganisation, Rationalisierungen, Sparmaßnahmen, Betriebszusammenlegungen, Betriebsschließungen etc. vor.

Fristlose Kündigung

Aus wichtigen Gründen, welche die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Treu und Glauben unzumutbar machen, können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis (jederzeit) fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt nur bei besonders schweren Verfehlungen des Vertragspartners vor. Die Verfehlungen müssen objektiv geeignet sein, das gegenseitige Vertrauen zu zerstören oder schwer zu erschüttern. Nach der Rsp des  Bundesgerichts ist für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung erforderlich, dass es tatsächlich zu einer Zerstörung oder Erschütterung des Vertrauens gekommen ist.

Folgende Gründe können bspw. einen wichtigen Auflösungsgrund darstellen:

  • Verbrechen oder Vergehen (Diebstahl, Betrug, Veruntreuung)
  • wiederholte Verweigerung der zugewiesenen Arbeit
  • unberechtigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz
  • Verrat von Geschäftsgeheimnissen
  • Schwarzarbeit
  • Verleumdung des Arbeitgebers
  • Korruption
  • falsche Angaben bei der Bewerbung
  • eigenmächtiger Ferienbezug
  • wiederholtes Zuspätkommen
  • illoyales Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber
  • Konkurrenzierung

Sonstige Regelungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Kündigung zur Unzeit (Sperrfristen)


Eine Kündigung zur Unzeit liegt in folgenden Fällen vor:

  • Aus Sicht des Arbeitgebers:
    • Kündigung während der Arbeitnehmer obligatorischen Militär- oder Zivildienst leistet, sowie, sofern die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert, während vier Wochen vorher oder nachher.
    • Kündigung während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab dem zweiten bis zum fünften Dienstjahr während 90 Tagen und ab dem sechsten während 180 Tagen.
    • Kündigung während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin.
  • Aus Sicht des Arbeitnehmers:
    • Ein Arbeitnehmer darf das Arbeitsverhältnis nur dann nicht kündigen, wenn ein Vorgesetzter, dessen Funktion er auszuüben vermag, oder der Arbeitgeber selbst wegen Militär- oder Zivildienst an der Ausübung der Tätigkeit verhindert ist und der Arbeitnehmer dessen Tätigkeit zu übernehmen hat.

Rechtsfolgen bei einer Kündigung zur Unzeit

  • Nichtigkeit der Kündigung: Kündigungen die zur Unzeit erfolgen sind nichtig.
  • Ruhen der Kündigungsfrist: Ist die Kündigung vor Beginn der Sperrfrist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.

Kündigung vor Stellenantritt

Eine Kündigung vor Stellenantritt ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Hinzuweisen ist, dass eine solche Kündigung nur bei kündbaren Arbeitsverträgen möglich ist. Sofern also ein befristetes Arbeitsverhältnis vorliegt, ist auch eine Kündigung vor Stellenantritt nicht möglich. Wurde allerdings bei einem befristeten Arbeitsvertrag eine Probezeit vereinbart, ist eine Kündigung vor Stellenantritt möglich. 

Durch eine Kündigung vor Stellenantritt wird das Arbeitsverhältnis auf das Ende der vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfrist, in der Regel die kurze Kündigungsfrist der Probezeit, aufgelöst. Die Kündigungsfrist beginnt gemäß der Praxis in einigen Kantonen ab dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses zu laufen. In anderen Kantonen beginnt die Kündigungsfrist mit dem Zugang der Kündigung zu laufen.

Massenentlassung

Als Massenentlassungen gilt in der Schweiz die Kündigung einer Mindestanzahl Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraumes von 30 Tagen. Die Anzahl der Kündigungen hängt von der Größe des Betriebes ab. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung zu konsultieren und eine Anzeige an das kantonale Arbeitsamt zu machen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit den Arbeitnehmern Verhandlungen über einen Sozialplan zu führen. Die Arbeitsverhältnisse gelten als gekündigt, auch wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung und das kantonale Arbeitsamt nicht informiert. Versäumnis dieser Meldung kann allerdings dazu führen, dass sich die Arbeitsverhältnisse verlängern und, dass die ausgesprochenen Kündigungen als missbräuchlich gelten.

Betriebsübergang

Überträgt der Arbeitgeber den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen Dritten, gehen die mit dem Betrieb resp. Betriebsteil verbundenen Arbeitsverhältnisse auch auf den Dritten über. Der Arbeitnehmer kann den Übergang seines Arbeitsverhältnisses ablehnen. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer auch hier zu konsultieren. Geht das Arbeitsverhältnis infolge Betriebsübergang auf einen Dritten über, endet das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber und wird beim neuen Arbeitgeber fortgesetzt. Wenn der  Arbeitnehmer jedoch den Übergang seines Arbeitsverhältnisses ablehnt, gilt es als auf den nächsten Termin als gekündigt.

Rechtsfolgen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Fälligkeit von Ansprüchen

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat zur Folge, dass alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis zur Zahlung fällig werden.

Unverzichtbarkeit unabdingbarer Ansprüche

Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und vor Ablauf von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht wirksam auf Ansprüche aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder eines Gesamtarbeitsvertrages verzichten.  Es handelt sich hier um alle Ansprüche des Arbeitnehmers, zu welchen zwingende Bestimmungen bestehen. Zwingende Ansprüche können sich auch aus anderen Gesetzen ergeben, bspw. Lohnzuschläge für Überzeitarbeit.

Rückgabe- / Herausgabepflichten

Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind beide Parteien verpflichtet, Sachen der jeweils anderen Partei zurückzugeben. Für den Arbeitnehmer insbesondere bedeutet diese Pflicht, dass er Arbeitsgeräte und -material herauszugeben hat. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf die Rückgabe eines Geschäftsfahrzeuges, von Dokumenten, Datenträgern und die Löschung von elektronisch gespeicherten Dokumenten auf privaten Computern und Datenträgern des Arbeitnehmers.

Arbeitszeugnis

Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis auszustellen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist anstelle eines Arbeitszeugnisses eine Arbeitsbestätigung über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses auszustellen. Sowohl Zwischenzeugnis als auch Arbeitszeugnis haben Auskunft über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers Auskunft zu geben und müssen wohlwollend formuliert sein. Das Arbeitszeugnis und das Zwischenzeugnis bzw. die Arbeitsbestätigung müssen sich über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses erstrecken.

Konkurrenzverbot / Konventionalstrafe

Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt ein allfälliges mit dem Arbeitnehmer schriftlich vereinbartes nachvertragliches Konkurrenzverbot in Kraft.

Nächste Woche werfen wir einen Blick auf die in Österreich geltenden Regelungen in Bezug auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Abonnieren Sie den Blog, um keinen Beitrag zu verpassen.

 

portrait_mp_klein.jpgAutor: Lic. iur. Michael Pérez

Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei PRP Rechtsanwälte. Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt. 
 

*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!

FOTOS: Perez, Shutterstock

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