Auf Messers Schneide

23.09.2021

... stand die Zukunft von Victorinox nach dem Zusammenbruch des Geschäftes mit den weltberühmten Schweizer Taschenmessern („Sackmesser“) nach dem Attentat auf die Twin Towers am 11.9.2001. Wie damals sofort und strategisch reagiert wurde, ist längst ein Business-Case an Universitäten.

Über die Vergangenheit, die aktuelle Coronakrise und die Zukunft des Unternehmens hat HKSÖL-Präsident Heinz Felsner (HF) mit Carl Elsener (CE) am Firmensitz in Ibach (Kanton Schwyz) persönlich gesprochen. Der CEO führt das Familienunternehmen Victorinox mit geschickter Hand in vierter Generation.

HF: Die Geschichte, wie Victorinox nach dem Zusammenbruch des Geschäftes mit den weltberühmten Taschenmessern unmittelbar nach dem Attentat auf die Twin Towers am 11.9.2001 sofort und strategisch reagiert hat, ist längst ein Business Case an Universitäten. Seither haben Sie einige vergleichbare Brüche der Wirtschaft erlebt. Welche Herausforderung war die größte seit 9/11?

CE: 2001 ist unser Sackmessergeschäft um 30 % eingebrochen, aber der Umsatz anderer Produkte wie Küchenutensilien nicht. 2020 ist durch den Lockdown unser gesamter Umsatz in kurzer Zeit um 30 % eingebrochen.

HF: Wie kann ein 1884 gegründetes, also seit 137 Jahren bestehendes. Familienunternehmen, nun von Ihnen in der vierten Generation seit mehr als 20 Jahren geführt, solche Herausforderungen meistern?

CE: Krisen haben die Weltwirtschaft und wir im Kanton Schwyz immer wieder meistern müssen. Die Zeiten nach dem 1. Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise in den Dreißigerjahren, den 2. Weltkrieg, die Ölkrise, die Finanzkrise als Beispiele. Wir haben über Generationen gelernt, dass wir uns in guten Zeiten auf Schlechte vorbereiten müssen. Mein Vater hat 2000 noch gelebt, unsere gemeinsame Sicht war, dass Reserven die wichtigste Voraussetzung für das Überleben eines Unternehmens auch in der größten Krise sind. Das hat auch unsere Firmenstruktur betroffen: Nach dem Tod meines Vaters waren wir zehn Geschwister die gleichberechtigten Eigentümer von Victorinox. 1980 haben wir alle zehn unsere Eigentumsanteile ohne Kompensation in eine AG eingebracht, und seither haben wir auch keine Dividende bezogen. 2000 haben wir eine Unternehmensstiftung gegründet, der 90 % von Victorinox gehören. 10 % einer ebenfalls von der Familie gegründeten Stiftung, die caritative Ziele verfolgt. Ziel aller dieser neuen Strukturen war es den langfristigen Bestand der Firma auch in den größten Umbrüchen zu sichern. Und eine dramatische Krise haben wir seit dem April 2020 auch wieder erleben müssen: Der Umsatz aller Geschäftsfelder von Victorinox mit der Ausnahme e-Commerce ist schlagartig um 30 % gesunken.

HF: Wie haben Sie als CEO – auch im Vergleich zu der Zeit nach 9/11 – reagiert?

CE: 2001 haben wir mit den anderen Geschäftsfeldern gegensteuern können; für etwa 60 unserer Mitarbeitenden aus dem Messerbereich – hoch qualifizierte Metallbearbeitende - haben wir Arbeit bei Firmen in der Region, die Bedarf hatten, gefunden. Wir wollten keinem einzigen Mitarbeitenden kündigen – als Familienunternehmen, das seit bald einundeinhalb Jahrhunderten in der Region verwurzelt ist, ist das für uns eines der wichtigsten Ziele: Ein verlässlicher Arbeitgeber zu sein. Und die Unternehmen der Region haben zusammengehalten! Die gute Entwicklung der 2001 neu erschlossenen Geschäftsfelder hat es im Laufe der nächsten Monate und Jahre ermöglicht, unsere „ausgeliehenen“, weiter von uns bezahlten Mitarbeitenden wieder für unsere Traditionsprodukte einzusetzen.

2020 haben wir auf die bewährten vier Säulen unseres Erfolgs aufbauen können: Fokus auf Mitarbeitende, Kunden, Produkte und die Marke. Schon mein Vater hat diese Erfolgsfaktoren so gesehen und entwickelt. Mit ihm habe ich 34 Jahre das Büro geteilt. Die Werte, die auch er von seinem Vater mitgenommen hat, hat er im Rahmen unserer gemeinsamen Vision auch so vorgelebt. Einer der wichtigsten war für ihn, immer für den Erhalt des Familienfriedens zu sorgen.

Für mich sind Vorbild zu sein und die Menschen zu mögen, zwei meiner wichtigen Leitlinien. Ich bedanke mich auch persönlich, zumindest einmal im Jahr, bei jedem unserer mehr als 2.000 Mitarbeitenden für ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg.

Bei Victorinox halten wir eine Reihe von Werten hoch und streben danach, auch so im Unternehmen täglich so zu handeln:

  • Offenheit 
  • gegenseitiges Vertrauen
  • Respekt untereinander
  • Dankbarkeit
  • Bescheidenheit – immer am Boden bleiben, Erfolg immer wieder neu erarbeiten
  • Mut – auch zum Risiko, aber nicht Übermut! Investieren mit Augenmaß und Risikoabwägung.
  • Verantwortung übernehmen

So haben wir gemeinsam 2020 gemeistert – wir konnten zwar keinen Gewinn erzielen, aber wir sehen nach dem 1. Quartal 2021 einen deutlichen Aufschwung in allen Produktbereichen und Verkaufsregionen von Victorinox. Das 1. Quartal 2021 ist etwas besser als das von der Pandemie noch nicht beeinflusste 1.Q 2020.

HF: Wie geht das Geschäft in 2021 weiter?

CE: Wir haben gerade 50 Mio. CHF in ein neues Logistikzentrum in Seewen-Schwyz investiert, das zehn bisher bestehende Standorte ersetzen und uns jährliche Einsparungen von 3 Mio. CHF ermöglichen wird. Wir sehen das als einen wichtigen Teil unserer Verantwortung neue Arbeitsplätze zu schaffen und die vorhandenen zu erhalten, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Und als Voraussetzung finanzielle Reserven zu schaffen, die unabdingbar für das Weiterbestehen eines Familienunternehmens in Unabhängigkeit sind!

Verantwortung übernehmen wir auch im Umgang mit den natürlichen Ressourcen und unserer Umwelt. Seit 1980 nutzen wir die Abwärme unserer Produktionsprozesse und heizen damit die Fabrik und daran angeschlossene 120 Wohnungen. Auf unseren Dachflächen haben wir Photovoltaik mit einer Gesamtleistung von 500 kWp für den Eigenverbrauch installiert.

Verantwortung übernehmen wir auch für unsere Mitarbeitenden, wir unterstützen sie in ihrer Weiterentwicklung durch Ausbildungen, und wir wissen, dass Einsatz Voraussetzung für den Erfolg ist. 51 unserer Mitarbeitenden sind mehr als 50 Jahre im Unternehmen tätig, 120 mehr als 40 Jahre!

HF: Wie planen Sie die Kontinuität in der Unternehmensführung von Victorinox zu sichern?

CE: Ich habe neun Geschwister, wir haben insgesamt 24 Kinder. Sieben davon arbeiten im Unternehmen. Wenn die Kinder wollen, können sie einen Ausbildungsweg nach ihrer Wahl beschreiten. Ich bin sicher, dass der Nachwuchs zu gegebener Zeit bereitsteht.

HF: Zum Abschluss bitten wir um eine Episode aus Ihrer Zeit mit Victorinox, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist.

CE: Das war 1997, der frühere Präsident der USA, George Bush, und seine Frau Barbara waren auf Besuch in der Schweiz und in unserem Werk. Wir haben für beide auf einem Montagetisch alle Teile, um ein Victorinox Messer zusammenzusetzen, vorbereitet. George Bush war schneller, aber Barbara hat abschließend ihr Messer hochgehalten und zum Vergleich zu ihrem Messer gesagt: „But look at the quality!“

HF: Ja, das ist es: Victorinox ist weltweit ein Markenzeichen für Swiss Quality!

Wir danken herzlich für das Gespräch.

www.victorinox.at

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