Grenzüberschreitendes Arbeiten in der Schweiz
Was österreichische Unternehmen in der Schweiz beachten müssen

30.10.2025
Große Gruppe von Menschen, die Schweizer Landkarte auf weißem Hintergrund bilden(Foto: iStock.com/tampatra)

Vor kurzem haben wir uns mit grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung von Schweizer Unternehmen in Österreich beschäftigt. Dieser Beitrag soll nun die wesentlichsten Aspekte beleuchten, die (ausländische) österreichische Unternehmen zu beachten haben, wenn sie grenzüberschreitend (dh. ohne Gründung einer Niederlassung) in der Schweiz tätig werden wollen.*

Zuletzt aktualisiert: Oktober 2025

Wenn ein Unternehmen aus Österreich, ohne Niederlassung in der Schweiz, Dienstleistungen (durch eigenes Personal) erbringen will, gilt es folgende wichtige Aspekte zu berücksichtigen:

1. Dienstleistungserbringung/Arbeitseinsatz bis max. 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr

Für grenzüberschreitende Einsätze in der Schweiz bis zu einer Höchstgrenze von 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr, ist zwar keine Bewilligung, wohl aber eine Meldepflicht im Online‑Meldeverfahren erforderlich. Darunter fallen entsandte Arbeitnehmer eines in der EU/EFTA ansässigen Arbeitgebers – unabhängig von deren Staatsangehörigkeit; Drittstaatsangehörige fallen in der Regel aber nur dann darunter, wenn sie mindestens 12 Monate dauerhaft im EU/EFTA‑Arbeitsmarkt zugelassen sind. Ebenfalls erfasst sind selbständige EU/EFTA‑Dienstleister.

Die Meldung muss spätestens acht Kalendertage vor Arbeitsbeginn erfolgen; eine Arbeitsaufnahme vor Ablauf dieser Frist ist unzulässig (Ausnahmen gelten nur für Notfälle und erlauben dann frühestens den Beginn ab Meldetag in eng definierten Fallgruppen).

In den meisten Branchen besteht zusätzlich eine 8‑Tage‑Ausnahme pro Kalenderjahr: Erst ab Überschreiten von acht Einsatztagen ist eine Meldung erforderlich.

In einigen „sensiblen“ Bereichen gilt die Meldepflicht hingegen schon ab dem ersten Einsatztag, etwa

  • im Bau‑ und Nebengewerbe,
  • Gartenbau,
  • Hotel/Gastronomie/Catering,
  • der Reinigung, Bewachung/Security,
  • im reisenden Gewerbe (mit Ausnahmen)
  • sowie im Sexgewerbe.

Zu beachten ist die Obergrenze von 90 Arbeitstagen: Sie gilt sowohl für das Unternehmen als auch für jede einzelne Person (jeweils gesonderte Zählung). Werden 90 Arbeitstage überschritten, ist das Meldeverfahren nicht mehr zulässig; es besteht dann Bewilligungspflicht (siehe dazu unten mehr).

Während des Einsatzes sind zwingend die schweizerischen Mindestarbeits‑ und ‑lohnbedingungen einzuhalten (Posted Workers Act/EntsG sowie Entsendeverordnung). Dazu gehören Mindestlöhne (kantonal bzw. branchenspezifisch nach GAV/NAV), Arbeits‑ und Ruhezeiten, Ferien sowie Arbeitssicherheit. Verstöße werden kontrolliert und können zu Verwarnungen und Bußen bis CHF 30’000 und Dienstleistungssperren führen. Sozialversicherungsrechtlich bleibt bei einer vorübergehenden Entsendung grundsätzlich die Sozialversicherung des Entsendestaats zuständig; der Nachweis erfolgt über die A1‑Bescheinigung, die mitzuführen ist und die Behörden des Einsatzstaats bindet, solange sie nicht widerrufen wird.

Praktisch sollten alle relevante Unterlagen (z. B. Arbeitsvertrag, Lohn‑ und Zeitaufzeichnungen) jederzeit vor Ort vorgelegt werden können, da Kontrollen üblich sind. Hinzuweisen ist noch darauf, dass ein grenzüberschreitender Personalverleih (Arbeitskräfteüberlassung) vom Ausland in die Schweiz nicht zulässig ist (Art. 12 Abs. 2 AVG); zulässig bleiben lediglich interne Konzernentsendungen ohne Verleihverhältnis.

2. Dienstleistungserbringung/Arbeitseinsatz ab 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr

Sobald der Einsatz in der Schweiz mehr als 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr dauert, ist vor Tätigkeitsaufnahme eine Arbeits‑/Aufenthaltsbewilligung bei der zuständigen kantonalen Behörde einzuholen. Ein automatischer Anspruch auf Erteilung besteht nicht.

Für EU/EFTA‑Staatsangehörige kommen typischerweise zwei Bewilligungen in Betracht: die Bewilligung L EU/EFTA für Kurzaufenthalte (in der Regel bei Arbeitsverträgen über 3 Monate bis unter 12 Monate) sowie die Bewilligung B EU/EFTA bei                           Arbeitsverträgen ab 12 Monaten bzw. unbefristeten Verträgen (Gültigkeit in der Regel 5 Jahre). Für Drittstaatsangehörige gelten demgegenüber Quoten, eine Arbeitsmarkt‑/Inländervorrangprüfung und gesonderte Zulassungsvoraussetzungen.

Wird in der Schweiz eine dauerhafte Geschäftstätigkeit mit fester Infrastruktur oder Ansprechstelle betrieben, kann zusätzlich die Eintragung einer (Zweig-)Niederlassung im kantonalen Handelsregister erforderlich sein. Unabhängig davon sind die Mehrwertsteuerpflicht (MWST) und – je nach Branche – weitere regulatorische Bewilligungen (z. B. in den Finanzdienstleistungen mit vorgängiger Genehmigung) zu prüfen.

3. Reglementierte Berufe/Gewerbe

Bei vorübergehender Leistungserbringung bis zu 90 Tagen pro Jahr müssen EU/EFTA‑Dienstleister in reglementierten Berufen zusätzlich zur arbeitsrechtlichen Meldung eine Online‑„Declaration“ beim SBFI/SERI einreichen. Zuständigkeiten und Verfahren sind hier verfügbar. Damit wird die Qualifikation im beschleunigten Verfahren überprüft.

Über 90 Tage bzw. bei einer Niederlassung in der Schweiz ist regelmäßig eine förmliche Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation erforderlich und – je nach Beruf, bundes‑ oder kantonalrechtlich – eine Berufsausübungsbewilligung; Die Bewilligung ist bei demjenigen Kanton anzusuchen, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Dieses Ansuchen kann auch über den in der Schweiz domizilierten Dienstleistungsbezieher gestellt werden.

Das Schweizer Recht unterscheidet damit klar zwischen der „vorübergehenden Dienstleistung“ (SERI‑Erklärung) und der „Niederlassung/Berufsausübung“ (Anerkennung/Lizenz).

*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!

 

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Autor: Lic. iur. Michael Pérez

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Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei Prettenhofer Raimann Pérez Tschuprina Rechtsanwaltspartnerschaft (LAWCO. Rechtsanwälte). Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt. 

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