Wandel im Immobilienmarkt
Kommentar zur Immobilienentwicklung von Michael Pisecky

01.03.2021
Auch der Immobilienmarkt muss sich anpassen (Quelle: AdobeStock/fazon1)

Die Immobilienwirtschaft hat durch die Maßnahmen und die Konsequenzen von Corona weltweit mit den gleichen Problemen zu kämpfen. COVID-19 hat alle Staaten gleichzeitig getroffen.

Grundsätzlich kann man sagen, dass alle Assetklassen von der aktuellen Situation betroffen sind. Einige stärker, andere weniger, aber in Summe zeichnen sich bei allen Veränderungen ab. Ganz global gilt - und da steht Österreich nicht alleine da -, dass sich die guten von den weniger guten Immobilien trennen - auch preislich. Der Einfluss von COVID-19 auf die Preise ist noch nicht in vollem Umfang absehbar, jedoch wird sich eine deutliche Differenzierung zwischen Spitzenrenditen und den Renditen für nachgelagerte Qualitäten ergeben. Es ist davon auszugehen, dass sich die Nachfrage auch in den nächsten Monaten auf "Corona-resistente" Objekte bzw. Nutzungsarten wie Wohnen, Top-Büroflächen, Logisitik oder Lebensmittel-Einzelhandel konzentrieren wird.

Sicherer Hafen

Österreich gilt aber nach wie vor als sicherer Hafen. Die von den Investoren als stabil angesehenen Segmente (Wohnimmobilien, Top-Büroobjekte sowie Logistik) erfreuen sich einer sehr hohen Nachfrage. Laut einer Umfrage des deutschen Meinungsforschungsinstitut Kantar unter 400 institutionellen Investoren in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Großbritannien hält fast jeder vierte Investor den Wiener Immobilienmarkt für den attraktivsten in Europa (23 %). Noch höher in der Gunst der Anleger stehen nur die englische Hauptstadt London (39 %) und Berlin (35 %). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Käufer auf dem heimischen Gewerbeimmobilienmarkt derzeit fast ausschließlich Österreicher, Deutsche und Schweizer sind. Aufgrund von COVID-19 ist der Anteil der außereuropäischer Käufer aus Korea, Australien oder den USA zurückgegangen. Es ist damit zu rechnen, dass dies in den nächsten 12 bis 18 Monaten der Status quo bleiben wird.

Im Büromarkt haben wir einen geringen Rückgang der Vermietungsleistung gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres von 12 %; bis dato wurden 145.000 Quadratmeter vermietet. Die Unternhemen evaluieren ihren Flächenbedarf neu und prüfen alternative Raumnutzungskonzepte. Die durch Homeoffice eingesparte Fläche wird häufig in Kollaborationsflächen und Kommunikationsflächen umgewandelt, weshalb der Rückgang nicht so hoch ist. Die Flächen werden einfach anders genutzt. 

Alle investieren

Auch Privatpersonen haben in den vergagenen Monaten in Immobilien investiert. Der Markt für Wohnimmobilien hat sich daher als äußerst stabil erwiesen. Obwohl die aktuellen COVID-19-Maßnahmen einen spürbaren Einfluss auf die Besichtigungen haben, bleibt die Nachfrage nach Wohnimmobillien ungebrochen hoch. Der Nachfragedruck auch zu einem weiteren kontinuierlichen Anstieg der Wohnungspreise geführt. Wie aber schon zuvor angesprochen, waren für die Höhe der Steigerung sehr wohl die Immobilie und die Lage ausschlaggebend.

Der Shutdown hat auch einige Veränderungen in den Wohnwünschen der Suchenden bewirkt. So stehen mittlerweile Freiflächen wie Gärten, Terrassen oder Balkone an vorderster Stelle. Außerdem gibt es einen Trend aus der Stadt auf das Land. Die Nachfrage hat sich zum Teil von Wien auf das Umland verlagert. Diese Entwicklung beobachten wir schon seit 2015, doch hat sie sich jetzt beschleunigt. Homeoffice ermöglicht auch, längere Distanzen bei der Anfahrt zur Arbeit in Kauf zu nehmen, weshalb auch etwas weiter außerhalb der Ballungsräume nach Wohnraum gesucht wird. Das ist sicherlich eine Entwicklung, die sich in der kommenden Zeit noch verstärken wird.

In Wien nähern wir uns einem ausreichenden Angebot an Wohnflächen. Dies ist einerseits auf eine hohe Bautätigkeit zurückzuführen (wir verzeichnen 2020 und 2021 eine Rekordfertigstellung) und andererseits ist der Bevölkerungsanstieg deutlich geringer ausgefallen als noch vor Jahren prognostiziert. Die Errichtung von Wohnungen in Wien wird zu zwei Drittel von den gewerblichen Wohnbauträgern übernommen, ein Drittel sind gemeinnützige Bauträger. Es gibt jetzt ein ausreichendes Angebot und das ist Voraussetzung für einen funktionierenden Markt.

Gemeinsam statt einsam

Interesant ist auch, zu beobachten, dass das Geminsame wieder an Wichtigkeit gewinnt. Menschen, die bislang in Kleinwohnungen oder Micro-Apartments gelebt haben, sehnen sich wieder nach Gemeinschaft. Diese bietet Schutz vor Vereinsamung, soziale Sicherheit und vor allem ist sie budgetschonened. Hier könnte sich der Wohnungsmarkt stärker wandeln und es stellt sich die Frage, was wir mit all den Micro-Apartments machen werden, die in den letzten Jahren so massiv propagiert wurden.

Hotel- und Einzelhandelsimmobilien sind die am stärksten von der Krise betroffenen Segmente. So gab es zum Beispiel bei der Stadthotellerie in Wien einen Rückgang der Übernachtungen von Mai bis August von minus 80 %. Hier wird es in den kommenden Jahren zu einem großen Umbruch kommen. Bereits jetzt schon wird über die Umwandlung von innerstädtischen Hotels in Wohnraum diskutiert, beziehungsweise sind auch einige Projekte in Planung. Im Einzelhandel hat die Corona-Situation ebensfalls als Branchenbeschleuninger bewirkt. Der Onlinehandel nimmt weiterhin zu und im stationären Handel sehen wir eine strukturelle Veränderung der Einzelhandelsflächen. Wir können davon ausgehen, dass sich die Flächenkonfigurationen im Einzelhandel stark verändern und neue Konzepte entstehen werden. Die Ausrichtung vieler bestehendern Handelsobjekte muss grundlegend überdacht werden (z. B. Mixed-Use-Projekte), die Innenstädte stehen somit vor einer nachhaltigen Veränderung.

Michael Pisecky ist Fachverbandsobmann-Stv. des Fachverbands Immobilien- und Vermögenstreuhänder sowie Fachgruppenobmann für Wien.

238

Kommentare