Was kann Etikette in Zeiten der Pandemie?

Unser Mitglied, International Courtesy Competence (ICC), hat durch den Versus Verlag Zürich ein spannendes Buch zum Thema Begrüssung, Etikette und Verhaltensregeln herausgegeben. Das Buch Meeting – Dining – Dress Codes enthält viele nützliche und ausgezeichnete Informationen und Tipps und dient dem Leser als ein hervorragendes Basiswerk für einen stilsicheren Aufritt auf dem Parkett.

Wuhan-Shake oder doch nicht?

Zum Glück sind Händeschütteln, Umarmungen und Begrüssungsküsschen vorbei – so atmen einige auf und finden, das Corona-Virus habe doch noch etwas Gutes. Andere bedauern die neue Distanz und haben keinen Zweifel, dass wir zu den guten alten Sitten zurückkehren werden, sobald das Virus besiegt und eine Impfung gefunden ist. Wir haben Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer befragt, ob sich aus ihrer Sicht das westliche Begrüssungszeremoniell pandemiebedingt nachhaltig ändern wird. Die eine Hälfte zeigte sich überzeugt, mit der physischen Nähe bei der Begrüssung sei es vorbei. Die andere Hälfte freut sich auf die Nach-Corona-Zeit und ist ebenso überzeugt, dass Traditionen nicht so schnell untergehen.

Innerhalb von wenigen Monaten haben sich die meisten von uns daran gewöhnt, bei der Begrüssung auf den Handschlag zu verzichten. Wortreiche Erklärungen und fantasievolle Begrüssungsformen werden seltener. Zum Beispiel kann beim «Wuhan-Shake» - die beiden Fussinnenseiten des Gegenübers werden kurz nacheinander berührt - der Minimalabstand nicht eingehalten werden. Der Ellbogengruss ist zweifelhaft, weil wir ja in den Ellbogen husten und niesen sollen.

Wir erachten die verbale Begrüssung als ausreichend, eventuell mit einem Kopfnicken oder Handwinken verbunden. Wem das zu nüchtern ist, wählt das der asiatischen Begrüssung entlehnte Zusammenlegen der Handflächen auf Brusthöhe oder legt die rechte Hand aufs Herz, um die andere Person herzlich zu begrüssen. Diese Formen eignen sich auch, eine zum Gruss ausgestreckte Hand nicht zu ergreifen, ohne ablehnend zu wirken.

Weitere Grussformen hat die Weltgesundheitsorganisation WHO auf einem kurzen Video (Link: https://www.youtube.com/watch?v=mrNj6SoKI2w) zusammengestellt.

Nicht immer geht es um Etikette

Wir sind sehr sensibel geworden. Husten und Niesen haben wir vor Corona nicht sonderlich beachtet. Jetzt zucken wir zusammen, nehmen nach Möglichkeit Abstand. Sehen wir jemand in der Strassenbahn die Nase schnäuzen, schaudert es einige bei der Vorstellung, dass wohl als Nächstes die Stange zum Festhalten angefasst oder der Knopf zum Aussteigen gedrückt wird. Wir sind über den heutigen Kenntnisstand die Viren-Übertragungswege informiert. Die neue Sensibilität und die genauere Beobachtung unserer Umgebung dienen unserem eigenen Schutz. Wie steht es um den Schutz der anderen? Wir bleiben bei Erkältungszeichen zuhause, niesen und husten in den Ellbogen, verzichten auf das Händeschütteln, halten Abstand und den Mundschutz auf, wenn dies vorgegeben ist. Mit Etikette haben diese Verhaltensweisen – wie auch die Hygieneregeln – nichts zu tun, vielmehr mit Selbst- und Mitverantwortung. Wem kommt es in den Sinn, das Stoppen bei Rotlicht an der Strassenkreuzung mit Höflichkeit oder Etikette in Verbindung zu bringen?

Was tun, wenn sich andere nicht an die Pandemie-Verhaltensregeln halten?

Hier kommt die Höflichkeit ins Spiel. Keine Panik, wenn Ihnen jemand die Hand zur Begrüssung reicht, Ihnen zu nahe kommt oder keinen Mundschutz trägt. In der Regel handelt es sich um ein Versehen. Kommt Ihnen jemand zu nahe, weichen Sie aus. Wenn es keine Ausweichmöglichkeit gibt oder jemand sich vordrängelt, bitten Sie diese Person ruhig darum, Abstand zu halten. Im Falle eines fehlenden Mundschutzes kann es sein, dass die betreffende Person aus Gesundheitsgründen keine Gesichtsmaske tragen kann, wenn sie zum Beispiel Asthmatikerin ist. Die zum Gruss ausgestreckte Hand müssen Sie nicht ergreifen; wählen Sie eine alternative Grussform (siehe oben). Und wenn es um eine ältere Person geht, die sich nicht an die neuen Regeln gewöhnen kann, schwingen Sie sich nicht zum Missionar auf. Idealerweise haben Sie ein Desinfektionsmittel bei sich und verwenden es nach dem Händeschütteln, selbstverständlich nicht unmittelbar und vor den Augen der anderen Person. Apropos Desinfektionsmittel: Seinem Gegenüber ein paar Tropfen des eigenen Desinfektionsmittels anzubieten, scheint sich in Asien als eine neue Geste der Höflichkeit zu verbreiten.

Pandemie-Etikette?

Respektvolles und aufmerksames Verhalten ist - mit und ohne Pandemie – immer richtig. Grüssen gehört zu den elementarsten Umgangsformen. Zurzeit sind einzelne Begrüssungsformen wegen den Distanzregeln tabu. Es gibt aber Alternativen, wie weiter oben erwähnt. Denken Sie ausserdem daran: Der Gesichtsschutz beeinträchtigt die nonverbale Kommunikation. Ihr freundliches Lächeln bei der Begrüssung wird nicht in jedem Fall erkannt. Fassen Sie deshalb Freundlichkeit in Worte: «Es ist schön, Sie wiederzusehen.» oder «Es freut mich, Sie kennenzulernen.»

In Zeiten der Pandemie sind die Aussichten ungewiss und die Nerven angespannt. Zeichen der Aufmerksamkeit sind deshalb doppelt willkommen.

Barbara Zehnder und Daniel Senn

International Courtesy Competencewww.courtesycompetence.com

 

Das Buch ist erhältlich unter anderem bei Facultas oder Manz AG oder Ihrer Buchhandlung.

Hier geht es zur Leseprobe: Meeting-Dining-Dress-Codes

 

 

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International Courtesy Competence (ICC) berät Firmen und Privatpersonen in den Bereichen internationale Business Etikette und interkulturelle Kompetenz. Zum Kundenkreis von ICC gehören europaweit Unternehmen, Hotels, VIP- und Sicherheitsservices, Flughäfen, Aussenministerien und Universitäten. ICC wurde 2014 von Barbara Zehnder (langjähriges HKSÖL-Mitglied) und Daniel Senn gegründet. Die Basis ihrer Arbeit sind die langjährige Auslanderfahrung und die spezielle Kombination von Hotellerie, Tourismus, Protokoll und internationaler Etikette.

 

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