Sponsoring ist nicht mehr nur ein Hobby des Chefs
Während Jahren fristete das Thema Sponsoring in vielen Schweizer Firmen ein stiefmütterliches Dasein. Heute schauen sich Firmen genau an, ob ein Engagement zu den Zielen der Firma passt.

Während Jahren hat das Thema Sponsoring in vielen Schweizer Firmen ein eher stiefmütterliches Dasein gefristet. Oftmals kamen Engagements einfach deshalb zustande, weil sich ein Chef für eine Sportart begeisterte. Erinnert sei hier an den Motorsport-Fan Oswald Grübel, der zuerst die Credit Suisse und danach die UBS zu einem Hauptsponsor der Formel 1 machte. Seither hat sich das Sponsoring der Firmen stark verändert. Diese schauen heute genauer als früher, ob sich ihr Engagement wirklich mit ihren Zielen deckt. Themen wie Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit stehen deutlich stärker im Fokus. Nicht mehr nur der Chef, sondern ganze Spezialistenteams befassen sich mit der Frage, ob ein Engagement eingegangen werden soll oder nicht.

Glaubwürdigkeit entscheidend

Den Grossteil ihrer Sponsoring-Gelder geben Schweizer Firmen für Sport aus. Obenauf schwingt der Fussball, gleich wie in Deutschland und Österreich (vgl. Grafik). Allerdings werden die Gelder hierzulande breiter verteilt. So sind auch Eishockey und populäre Wintersportdisziplinen hoch im Kurs, wie eine Studie von Nielsen Sports zeigt, die auf Marktumfragen beruht. Laut Jörg Polzer, Leiter Nielsen Sports Schweiz, gaben Schweizer Unternehmen 2017 insgesamt rund 1,1 Mrd. Fr. für Sponsoring aus. Diese Summe umfasst neben dem Sport die Kultur, Corporate-Responsability-Aktivitäten (Sozio-, Öko-, Bildungs- und Wissenschafts-Sponsoring) und Medien (Sponsoring von TV-Sendungen). 

Schweizer Firmen engagieren sich im Sport-Sponsoring deutlich breiter als solche in Deutschland oder Österreich

Fussball rangiert ganz oben bei der Erhebung unter 140 Entscheidungsträgern im Sponsoring zur Frage, in welche Sportarten deren Firmen investieren

Quellen: Sponsor-Trend 2017, Nielsen Sports 

Warum investieren Firmen so gerne in Sportaktivitäten? Laut Angelo Stamera, Verbandspräsident von Sponsoring Schweiz, sind Sponsoren an der TV-Präsenz und den grossen Zuschauerzahlen interessiert. Sport sei emotional und breit verankert. Auch sei ein Sponsor hier sichtbarer als bei einem Kulturanlass. Sein Name sei auf den Trikots, der Bande im Stadion oder beim TV-Interview zu sehen, sagt Stamera.

Grosse Firmen möchten am liebsten eine ganze Sportart besetzen, also den Laufsport, Fussball oder Skisport, sagt Stamera. Zudem wollen sie, wenn möglich, als einziger Sponsor auftreten. Beispielhaft dafür ist der Versicherer Helvetia, der führend ist im Bereich Schnee- und Skisport. Das eigentliche Anker-Engagement ist die Unterstützung des Swiss-Ski-Verbandes, unterstützt werden zudem das Skispringen in Engelberg oder die Weltcup-Rennen in Adelboden und Wengen. Etwa 40 Einzelsportler erhalten ein individuelles Sponsoring. Der Versicherer richtet zudem weitere Anlässe aus wie den Engadiner Skimarathon.

Den Grossteil ihrer Sponsoring-Gelder geben Schweizer Firmen für Sport aus

Für den Helvetia-Vorsitzenden der Konzernleitung, Philipp Gmür, ist entscheidend, als Sponsor glaubwürdig zu sein. «Skisport und die Schweiz, das passt zu uns, das ist glaubwürdig», sagt Gmür. Man wolle natürlich die Bekanntheit der Marke steigern, doch wolle man auch etwas an die Gesellschaft zurückzugeben. Viele Anlässe, etwa im Kulturbereich, könnten nicht ohne Sponsor durchgeführt werden, sagt Gmür. Um durch das Jahr präsent zu sein und mehr Zielgruppen auch ausserhalb der Alpenregionen anzusprechen, ist Helvetia mit dem Helvetia Schweizer Cup zudem ins Fussballgeschäft eingestiegen.

Die Helvetia prüft derzeit einen Ausstieg aus dem Engadiner Skimarathon, noch laufen die Verhandlungen

Gar keine Anlässe mehr sponsert seit zwei Jahren dagegen der Flawiler Schokoladehersteller Maestrani. Bis dahin unterstützte die Firma die 3+-Sendung «Bauer, ledig, sucht...» und die Eisshow «Art on Ice». Beide Engagements waren aufgrund persönlicher Bekanntschaften von Firmenchef Markus Vettiger zustande gekommen. «Als ich 2006 zur Firma kam, war Maestrani seit längerem nicht mehr sichtbar im Markt, zudem erhielten wir gute Konditionen, deshalb stiegen wir ein», sagt Vettiger.

Beschränkte Mittel

Nun aber müsse das KMU seine beschränkten Mittel dort einsetzen, wo sie am meisten bewirken. Das sei direkt bei den Kunden der Fall, beispielsweise in den Tankstellen, aber auch in der neuen Schokolade-Erlebniswelt Chocolarium in Flawil. Wünsche aber jemand Schokolade für einen Anlass, zeige man sich grosszügig, sagt Vettiger. Zu den Kosten des Sponsoring will niemand viel sagen. Helvetia erklärt einzig, ihr teuerstes Einzelengagement sei dasjenige für den Skiverband Swiss Ski. Wichtig sind aber die Aktivierungskosten, die zusätzliche Massnahmen für einen Anlass nach erfordern, wie Einladungen und Werbeaufwendungen. Verzichte man auf solche Zusatzinvestitionen, verpuffe leider auch ein Grossteil des Basis-Engagements, sagt Stamera.

Die Mitarbeiter motivieren

Firmen wie Migros oder Coop, die jeder kennt, verfolgen mit Sponsoring nochmals andere Ziele. Sowohl die Migros, die bei Musikfestivals als Hauptsponsor auftritt, als auch Coop, die bei Musicals führend ist, versuchen, ihren Kunden ein positives Markenerlebnis und einen Mehrwert zu bieten – beispielsweise indem sie Besitzern von Cumulus- oder Supercard-Karten einen verbililligten Eintritt gewähren.

Sponsoren wollen verstärkt in direkten Kontakt mit bestehenden und potenziellen Kunden treten. Besucher des Arosa-Humorfestivals konnten über eine App von Raiffeisen Nachwuchskünstler bewerten. Wer am meisten Stimmen erhielt, wurde wieder eingeladen. Kein Wunder, sagt Stamera, dass sich auch die Sponsoring-Branche zunehmend mit Themen des Datenschutzes befassen muss. Firmen unterstützen aber vermehrt auch Anlässe, um ihre eigenen Mitarbeiter zu motivieren, beispielsweise mit einem Treffen von Sportstars, sagt Polzer von Nielsen Sports.

Die Helvetia prüft derzeit einen Ausstieg aus dem Engadiner Skimarathon, noch laufen die Verhandlungen. Dass Firmen ihre Sponsoring-Aktivitäten überprüfen, ist heute Alltag. Denn der Ertrag ist nicht messbar. Deshalb werden die Kosten genau angeschaut. Ein Firmenchef kritisiert die zu hohen Aufwendungen für die Betreuung von VIP-Gästen. Sei ein Anlass nur noch ein Schaulaufen von VIP-Zelt zu VIP-Zelt müssten die Veranstalter zurückbuchstabieren, meint er. Ein Umdenken hat bereits stattgefunden. Kunden können oft wegen schärferen internen Regeln keine aufwendigen Einladungen mehr annehmen. Zudem hinterfragen Firmen teure Kundenanlässe. So organisiert die Credit Suisse praktisch keine Kundenreisen mehr in Länder, in denen Endrunden der Fussball-WM stattfinden.

Quelle: Neue Zürcher Zeitung
Autor: Zoé Baches
Erschienen am 27. März 2018