Rechts-News
aus Österreich

Neue Gesetze und Gesetzesänderungen

Arbeitszeitgesetz, Arbeitsruhegesetz u.a. - Arbeitszeit soll künftig flexibler gestaltet werden können 

Das Regierungsprogramm 2017 – 2022 enthält das Bekenntnis zu einer flexiblen Arbeitsgestaltung, die es ermöglichen soll, das Arbeitszeitvolumen besser an die Auftragslage anpassen zu können und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zu gewährleisten.

Wichtig ist dabei die Beibehaltung der gesetzlichen täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit. Kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit sollen unberührt bleiben. Vorgesehen ist daher eine Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Arbeitszeitgesetze, die unter anderem folgende Maßnahmen beinhalten soll:

  • Erweiterung des Ausnahmekatalogs im Geltungsbereich. Neben leitenden Angestellten sollen auch "sonstige Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis" sowie "Arbeitskräfte, die Familienangehörige sind" ausgenommen werden.
  • Mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum durch Kollektivvertrag
  • Anhebung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei Gleitzeit auf zwölf Stunden
  • Erleichterter Zugang zu Sonderüberstunden
  • Anhebung der Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche
  • Vereinbarte Überstunden (11. und 12. Stunde) sind zumindest mit den gesetzlichen
    Überstundenzuschlägen zu vergüten, sofern die jeweiligen Kollektivverträge oder
    Betriebsvereinbarungen keine günstigere Regelung vorsehen. Ein Ausgleich in Zeit kann, aufgrund von kollektivvertraglichen Regelung oder Betriebsvereinbarungen, ebenfalls zulässig sein.
  • Verkürzung der täglichen Ruhezeit im Tourismus von elf auf maximal acht Stunden für alle Betriebe mit geteilten Diensten
  • Möglichkeit zur Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe durch Betriebs- oder schriftliche Einzelvereinbarung, beschränkt auf vier Ausnahmefälle pro Jahr.
  • Durch den erweiterten Rahmen der durch diese Änderung geschaffen wird, wird auch der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Schaffung familienfreundlicher Modelle, wie zum Beispiel einer 4-Tage-Woche, Rechnung getragen.
  • Diese Vorgaben werden im Arbeitszeitgesetz und im Arbeitsruhegesetz umgesetzt.
  • Im Regierungsprogramm ist unter dem Titel "Treffsicherheit und Transparenz im Sozialsystem" vorgesehen, das im ASVG geregelte Risiko- und Auffälligkeitsanalyse-Tool der Krankenversicherungsträger auf den Dienstnehmerbereich zu erweitern.

Inkrafttreten:
Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: 14. August 2018
Inkrafttreten: 1. September 2018 

 

Änderung der Gewerbeordnung: Verbesserung desInsolvenzschutzes im Falle von Pauschalreisen und verbundenen Reiseleistungen

Der Insolvenzschutz im Falle von Pauschalreisen und verbundenen Reiseleistungen wird nunmehr verbessert. Mit der Änderung der Gewerbeordnung sollen insbesondere bezweckt werden:

  • Umsetzung der Anforderungen der Richtlinie (EU) 2015/2302 ("Pauschalreiserichtlinie") an den Insolvenzschutz im Falle von Pauschalreisen und vermittelten verbundenen Reiseleistungen sowie der Einrichtung einer zentralen Kontaktstelle beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Erleichterung der Verwaltungszusammenarbeit mit den in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union errichteten zentralen Kontaktstellenund Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die durch Verordnung zu regelnden Anforderungen der Pauschalreiserichtlinie 
  • Erleichterung des Nachweises des von der Richtlinie geforderten Vorliegens des Insolvenzschutzes für die betroffenen Gewerbetreibenden

Insbesondere dient die Novelle der Umsetzung der Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie betreffend die Insolvenzabsicherung der im europäischen Wirtschaftsraum niedergelassenen Reiseveranstalter, die besonderen Pflichten des Reisevermittlers im Falle eines außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums niedergelassenen Reiseveranstalters und die besonderen Pflichten des außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums niedergelassenen Reiseveranstalters oder Vermittlers verbundener Reiseleistungen. Nach der derzeitigen Rechtslage müssen sich Veranstalter von Pauschalreisen vor der Aufnahme dieser Tätigkeit in ein beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eingerichtetes Veranstalterverzeichnis eintragen lassen. Zur Eintragung in das Veranstalterverzeichnis muss der Veranstalter in der Reisebürosicherungsverordnung näher festgelegte Meldungen erstatten und durch Nachweise belegen, wobei die übermittelten Daten vom Veranstalter periodisch sowie anlassfallbezogen aktualisiert werden müssen. Der Umstand der Eintragung in das Veranstalterverzeichnis wird außerdem im Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) ersichtlich gemacht. Nunmehr wird das Veranstalterverzeichnis in das GISA eingebunden und muss sämtlichen aus der Pauschalreiserichtlinie resultierenden Meldeverpflichtungen auf elektronischem Wege nachgekommen werden. Dieses System bringt im Vergleich zu dem bestehenden Meldesystem die Vorteile, dass Daten, die bereits im GISA vorhanden sind, nicht neuerdings gemeldet werden müssen und das Verfahren nach einheitlichen Standards elektronisch geführt werden kann.

Inkrafttreten:
Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: 12. Juli 2018
Inkrafttreten: Überwiegend mit Inkrafttreten einer entsprechenden Verordnung, spätestens 1. Oktober 2018

 

Judikatur

Anfechtung der (teilweisen) Leistung einer Abfertigung an eine ehemalige Angestellte und Minderheitsgesellschafterin der Schuldnerin durch den Insolvenzverwalter wegen fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit

OGH  3 Ob 117/18d, 14.08.2018 

Liegen – wie  hier in Form nicht eingehaltener Ratenvereinbarungen – ausreichende Insolvenzindikatoren vor, sind Zahlungen der bereits materiell insolventen Schuldnerin anfechtbar, wenn der Zahlungsempfängerin fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit deshalb anzulasten ist, weil sie aufgrund ihrer Stellung als (Minderheits-)Gesellschafterin die Möglichkeit gehabt hätte, sich durch Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin über deren finanzielle Situation zu informieren.

Die Beklagte war jahrelang Angestellte und überdies Minderheitsgesellschafterin der späteren Schuldnerin (einer GmbH). Im Herbst 2013 kündigte Letztere die Beklagte zum 31. Dezember 2013. Da sie die der Beklagten zustehende Abfertigung von rund 25.000 EUR nicht bei Fälligkeit (Ende des Arbeitsverhältnisses) begleichen konnte, schloss sie mit der Beklagten noch im Herbst 2013 eine Ratenvereinbarung, die sie dann aber nicht einhalten konnte. Auch eine zweite Ratenvereinbarung vom März 2014 hielt sie nicht ein, sondern leistete erst Monate später, als sie bereits materiell insolvent war, vier Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 12.000 EUR an die Beklagte. Die Insolvenzverwalterin focht diese Zahlungen (ua) mit der Begründung an, dass die Beklagte in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewesen sei. Die Beklagte wendete ein, sie habe von der Zahlungsunfähigkeit nichts gewusst und auch nichts wissen können. Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her. Er stellte klar, dass für die Beklagte im Zeitpunkt des Empfangs der angefochtenen Zahlungen, die insgesamt nicht einmal die Hälfte ihres Abfertigungsanspruchs ausmachten, aufgrund der vorangegangenen Nichteinhaltung der beiden Ratenvereinbarungen sog. Insolvenzindikatoren vorlagen, aufgrund derer sie in Ausübung des ihr als Minderheitsgesellschafterin gegenüber der GmbH zukommenden umfassenden Informationsanspruchs Nachforschungen anstellen, dh Einsicht in die Geschäftsunterlagen der späteren Schuldnerin nehmen hätte müssen. Da sie dies nicht getan hat, war ihre Unkenntnis der damals bereits bestehenden Zahlungsunfähigkeit fahrlässig, weshalb die Anfechtungsklage berechtigt ist.
 

Betriebsrat stimmt Kündigung nach zwei Verständigungen zu: Anfechtung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit?

OGH 9 ObA 30/18d,  28.06.2018

Zu klären war, ob bei mehrfacher Verständigung des Betriebsrats über eine beabsichtigte Kündigung die Frist für seine Stellungnahme erneut läuft. Denn bei fristgerechter Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung kann diese nicht mehr als sozialwidrig bekämpft werden.

Die beklagte Dienstgeberin informierte den Betriebsratsvorsitzenden am 27. eines Monats von der beabsichtigten Kündigung der Klägerin. Der Zeitpunkt der Kündigung stand noch nicht fest. Der Betriebsrat beschloss, der Kündigung zuzustimmen, verständigte die Beklagte davon aber nicht. Am 16. des Folgemonats informierte die Beklagte den Betriebsrat über den beabsichtigten Kündigungszeitpunkt. Am Folgetag teilte der Betriebsratsvorsitzende der Beklagten mit, dass der Kündigung zugestimmt werde. Daraufhin kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis der Klägerin. Die Klägerin bekämpft die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit. Es werde bestritten, dass der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt habe. Die Beklagte berief sich auf die fristgerechte Zustimmung des Betriebsrats nach der zweiten Verständigung, weshalb die Kündigung nicht wegen Sozialwidrigkeit anfechtbar sei.

Das Erst- und das Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Der Betriebsrat habe sein Zustimmungsrecht fristgerecht ausgeübt, weshalb die Kündigung nicht mehr wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden könne (sog „Sperrrecht des Betriebsrats“).

Der Oberste Gerichtshof teilte diese Beurteilung nicht. Der Betriebsinhaber hat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz vor jeder Kündigung den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb einer Woche dazu Stellung nehmen kann. Stimmt er der Kündigung ausdrücklich zu, kann der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin die Kündigung nicht mehr wegen Sozialwidrigkeit anfechten. Der Oberste Gerichtshof hielt fest, dass die Verständigung des Betriebsrats eine Absichtserklärung des Dienstgebers über eine konkret beabsichtigte Kündigung ist. Ein bestimmter Kündigungstermin muss darin aber noch nicht genannt sein. Die dadurch ausgelöste einwöchige Frist für die Stellungnahme des Betriebsrats ist eine nicht verlängerbare Höchstfrist. Die Stellungnahme ist als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Betriebsinhaber abzugeben. Bei ein- und demselben Kündigungsfall wird durch eine weitere Verständigung keine weitere Frist ausgelöst, weil sonst selbst eine kommunizierte Stellungnahme nachträglich revidiert werden könnte. Das liefe nicht nur dem Sinn einer Höchstfrist für die Stellungnahme des Betriebsrats, sondern auch dem Interesse der Belegschaft am Bestand der getroffenen Entscheidung zuwider. Da hier die Wochenfrist bereits mit der ersten Verständigung ausgelöst wurde, in dieser aber keine Stellungnahme des Betriebsrats an den Betriebsinhaber erfolgt war, kann die Klägerin die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten. Deren Vorliegen wird im fortgesetzten Verfahren noch zu prüfen sein.
 

Österreichische Gerichte sind auch an (in Österreich anzuerkennende) ausländische Zivilurteile gebunden; dies kann auch noch im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden

OGH  4 Ob 88/18x,11.06.2018 

Die Bindungswirkung einer in Österreich anzuerkennenden ausländischen Entscheidung ist – auf der Grundlage des anwendbaren österreichischen Rechts (lex fori) – in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten und daher auch noch von den Rechtsmittelgerichten wahrzunehmen.

Der Grundsatz der entschiedenen Rechtssache gilt auch im internationalen Kontext. Urteile und Beschlüsse ausländischer Gerichte äußern im Inland daher materielle Rechtskraft, wenn sie nach dem internationalen Zivilverfahrensrecht – hier auf Basis der EuGVVO – im Inland anzuerkennen sind. Der ausländischen Entscheidung kommen im Inland die gleichen rechtlichen Wirkungen wie im Urteilsstaat zu. Die Anerkennung erstreckt sich sowohl auf die Einmaligkeitswirkung als auch auf die  Bindungswirkung.

 

Diese Rechts-News werden uns zur Verfügung gestellt von der Prettenhofer Raimann Pérez Rechtsanwaltspartnerschaft (OG).