Reger Austausch

24.04.2019
Foto eines Güterbahnhofs bei Nacht
Die Pharmabranche ist einer der grossen Exporteure in der Schweiz.

Thomas Först, Mitglied der Geschäftsleitung bei Switzerland Global Enterprise, sprach mit uns über die Position der Schweiz im europaweiten Warenverkehr.

hub: Wie haben sich die Schweizer Importe und Exporte in den letzten Jahren entwickelt?

Thomas Först: Die Schweizer Exporte haben im letzten Jahr einen neuen Rekord verzeichnet. Die Schweiz führte Waren im Wert von 233 Milliarden Franken aus – und das trotz weltwirtschaftlicher Unsicherheiten. Europa blieb dabei der grösste Absatzmarkt, mehr als die Hälfte aller Schweizer Exporte ging in europä­ische Länder.

Einen Höchststand wies auch das Importgeschäft der Schweiz auf: Waren im Wert von fast 202 Milliarden Franken wurden im Jahr 2018 in die Schweiz importiert, hauptsächlich aus Deutschland, Italien, Frankreich, China und den USA.    

hub: Welche Branchen sind in der Schweiz besonders exportorientiert?

Först: Unternehmen hierzulande sind auf den internationalen Handel angewiesen, damit sie ihr Wachstum vorantreiben können. Die Schweiz ist deshalb über alle Branchen hinweg exportorientiert. Oft auch mit Produkten, an die wir im ersten Moment gar nicht denken. Wussten Sie beispielsweise, dass die Schweiz mehr Kaffee exportiert als Käse und Schoko­lade zusammen? Das ist nur ein Beispiel, das überraschen mag.

Am grössten sind die Exporte jedoch bei chemisch-pharmazeutischen ­Produkten. Sie machten 2018 fast die Hälfte des ­Exportvolumens aus. Aber auch die ­Maschinen- und Elektroindustrie sowie die Uhrenbranche sind wichtige Exportbereiche. Im letzten Jahr konnten praktisch alle Branchen bei den Exporten zulegen. Das zeigt, dass Schweizer Produkte auf dem Weltmarkt weiterhin sehr gefragt sind und überzeugen.

hub: Gibt es Besonderheiten, die den Export/Import zwischen der Schweiz und Österreich vom Warenaustausch mit anderen Ländern unterscheiden?

Först: Zwischen der Schweiz und ­Österreich bestehen praktisch keine ­kulturellen oder sprachlichen Hürden. Das erleichtert natürlich den Zugang zum jeweiligen Markt und ist bestimmt auch ein Grund dafür, dass zahlreiche Schweizer Unternehmen den österreichischen Markt zu Beginn oft selbst bearbeiten. Eine ­Zusammenarbeit mit einem Vertriebspartner kommt oft erst mit steigendem Geschäftsvolumen. Die sprachliche und kulturelle Nähe sollte jedoch nicht dazu führen, dass der Aufwand unterschätzt wird. Hinsichtlich der regulatorischen und administrativen Anforderungen ist Österreich viel komplexer als die Schweiz und für Unternehmen lohnt es sich, bereits von Beginn an von Experten unterstützt zu werden. 

hub: Wie könnte sich der Brexit auf Schweizer Exporte auswirken?

Först: Der Brexit hat in der Wirtschaft eine Unsicherheit ausgelöst. Das spiegelt sich zu einem gewissen Grad auch in der Exportstatistik. Die Schweizer Exporte nach Grossbritannien gingen 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 23 % zurück. Das ist der stärkste Rückgang seit 30 Jahren. Die Schweiz und Grossbritannien haben nun im Februar aber ein bilaterales Handelsabkommen unterzeichnet, das die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auch nach dem Austritt von Grossbritannien aus der EU sichert. Schweizer Unternehmen ­bekommen damit Rechtssicherheit und haben eine Grundlage für ihre künftigen Exporttätigkeiten. Unsicher bleiben die Konsequenzen eines allfälligen ungeordneten Austritts auf die britische und europäische Wirtschaft und Konjunktur, was indirekte Konsequenzen für die Schweizer Exporteure und ihre Wertschöpfungsketten und Kunden haben könnte.

hub: Ist die Schweiz eine Drehscheibe für internationalen Warenverkehr?

Först: Die Schweiz hat sich zu einem führenden Standort für multinationale Unternehmen entwickelt, die von hier aus ihre Lieferketten verwalten. Dies aufgrund der strategisch günstigen geografischen Lage, der hervorragenden Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, der gut ausgebildeten Talente, der Nähe zu Universitäten und Fachhochschulen sowie attraktiver Lösungen in den Bereichen ­Risikomanagement, Handel, Logistik, Recht und Steuern. Die Schweiz ist also der ideale Standort für ein langfristiges und strategisch ausgerichtetes Supply-Chain-Management und aufgrund der zahl­reichen (multinationalen) Unternehmen auch wichtig für den internationalen Warenverkehr. Das zeigt sich übrigens auch an der Anzahl der Freihandels abkommen. Die Schweiz hat derzeit 30 Freihandelsabkommen mit 40 Partnern ausserhalb der EU – und es werden laufend neue Abkommen ausgehandelt.

„Im Letzten Jahr konnten in der Schweiz fast alle Branchen bei den Exporten zulegen.“ Thomas Först

Thomas Först, Mitglied der Geschäftsleitung von Switzerland Global EnterpriseThomas Först

ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Switzerland Global Enterprise und als Head of Global Network für das weltweite Aussennetz von S-GE verantwortlich. Zuvor war er unter anderem als Berater für Südamerika sowie als Direktor des Swiss Business Hub Brasilien in São Paulo tätig. Thomas Först ist gelernter Industriekaufmann, studierte später Business Studies an der University of Buckingham sowie General Management des Executive MBA’s an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich.

 

FOTOS: SGE, iStock by Getty/RGLifetteima, iStock by Getty/E+ queerbeet

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